Philippas verkehrte Welt
verreisen.«
»Oh!«, sagte ich und bemühte mich, mir meine Erleichterung nicht anmerken zu lassen.
»Was du dir allerdings auf jeden Fall jetzt schon in deinem Kalender notieren solltest, ist Folgendes: Mitte Juni veranstalten wir ein groÃes Gartenfest und zu dem sind natürlich auch deine und Nnekas Familie und eure Freunde herzlich eingeladen.«
»Oh!«, sagte ich noch einmal und erlaubte mir ein Lächeln, obwohl mir eigentlich gar nicht danach zumute war. Ehrlich gesagt, wusste ich mittlerweile überhaupt nicht mehr, wie ich mich Frau von Helsing gegenüber verhalten sollte.
»Wie schön, dass du dich darauf freust«, meinte sie nun, und ihre Augen strahlten richtig.
Ich strahlte ebenfalls, denn es schien mir das Beste zu sein. Prinzipiell war eine Gartenparty natürlich cool. Ich befürchtete jedoch, dass sie bei den von Helsings ziemlich pompös ausfallen und ich mich dort alles andere als wohlfühlen würde. Aber Mitte Juni war zum Glück ja noch eine Ewigkeit hin.
Am nächsten Tag nahm ich die hundertfünfzig Euro für Jona mit in die Schule. Ich hatte die drei Scheine winzig klein zusammengefaltet und in einen Badmintonball gestopft, den ich extra für diese Zwecke aufgeschlitzt hatte. Den Ball wiederum hatte ich in eine Socke gesteckt und diese dann in die untere linke Ecke meines Rucksacks geschoben. Trotzdem rechnete ich während der gesamten Busfahrt damit, überfallen zu werden.
Dummerweise hatte der Bus auch noch Verspätung, sodass ich Jona erst im vollen Klassenraum antraf. Ich saà noch immer neben Mariel, und ich versuchte auch immer noch, mit ihr ins Gespräch zu kommen, indem ich sie nach einem Schmierblatt oder einem Radiergummi fragte, aber sie behandelte mich wie Luft.
Natürlich hatte inzwischen jeder mitbekommen, wie es um uns bestellt war, weshalb wir nicht nur stets von allen Seiten sensationslüstern beobachtet wurden, sondern uns auch noch ständig dumme Sprüche anhören mussten, was Mariel offensichtlich genauso nervte wie mich.
»Warum setzt du dich nicht einfach weg?«, fragte Jona mich, als wir zu Beginn der ersten groÃen Pause den Gang entlang in Richtung Schulhof schlenderten. Den Badmintonball mit dem Geld darin hatte ich mir in die Tasche meiner Steppweste gesteckt und hielt ihn fest umklammert.
»Weil ich nicht will«, sagte ich. »Verstehst du, ich will einfach nicht aufgeben. Noch nicht.«
»Irgendwann tut sie es«, erwiderte Jona. »Ich wette, nach den Osterferien.«
Das wollte ich einfach nicht glauben. Und auÃerdem: »Wo soll sie sich denn hinsetzen?«
»Neben Bilal ist noch ein Platz frei.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das macht sie nicht. Niemals.«
Mariel hatte noch nie neben einem Jungen gesessen, nicht mal in der Grundschule, trotzdem spürte ich, wie in mir ein leiser, verzweifelter Zorn hochkochte.
Jona verlangsamte sein Tempo und blieb an der Ecke vor der Treppe, die in den Nawi-Trakt führte, stehen. »Ich könnte ihn fragen, ob er mit mir tauscht«, sagte er zaudernd.
»Ja und?«, erwiderte ich viel zu schnell. »Was soll das bringen? Willst du etwa �« Oh Mist! So langsam begriff ich.
Jona sah mich an. »Ich würde sogar sehr gern neben dir sitzen.«
Uff! Das war vielleicht ein Angebot. Anstelle des Zorns fing nun mein Blut an zu kochen und bescherte mir einmal mehr einen Satz glühend heiÃer Ohren.
»Das ⦠ähm, ist echt nett von dir«, stotterte ich los. »Ich denk drüber nach, okay?«, haspelte ich weiter, und um vom Thema abzulenken, zog ich rasch den Badmintonball aus meiner Westentasche. »Das hat mir übrigens Frau von Helsing für dich mitgegeben.«
»Was? Einen Federball?« Jona griente von einem Ohr zum anderen.
»Quatsch«, sagte ich, pulte die zusammengefalteten Geldscheine heraus und hielt sie ihm unter die Nase. »Hier. Für die kaputte Jeans.«
Ich hatte es kaum ausgesprochen, da kam jemand hinter der Wand zum Treppenabgang hervor. Mein Herzschlag geriet sofort ins Stocken, als ich erkannte, dass es Mariel war. Logisch bemerkte sie Jona und mich ebenfalls. Sie stutzte, schien ein paar Sekunden zu überlegen, ob sie einfach weiterlaufen sollte, doch dann schnaubte sie plötzlich laut aus und baute sich mit in die Taille gestemmten Fäusten vor mir auf. »Ts! So weit ist es also schon mit dir gekommen, dass du dir Freundschaften
Weitere Kostenlose Bücher