Philippas verkehrte Welt
»Wie bitte?«
»Ach, ich hab mich bloà an was erinnert«, brummte ich und bekräftigte noch einmal meine Ansicht. »Trotz dem. Frau von Helsing kann unmöglich wollen, dass Celia keinen Kontakt zu den Menschen hat, die später wichtig für sie sein könnten.«
»Du meinst, wichtiger als wir«, entgegnete Nneka und tippte mir auf die Brust. »Als du, ich und Ayo. Tja«, sagte sie dann und lieà ihre Hand wieder sinken, »irgendwie komisch ist das schon. Bisher dachte ich wirklich, dass sie Celia nur deshalb von allem fernhält, weil sie nicht möchte, dass sie auf Partys geht, Drogen nimmt und mit Jungs rumknutscht. Jetzt frage ich mich allerdings schon, warum die von Helsing so ungeheuer viel Wert darauf legt, dass Celia sich mit uns anfreundet. Das passt doch gar nicht zusammen.«
Jetzt triumphierte ich. »Sag ich doch die ganze Zeit!«
»Wahrscheinlich hält sie uns für harmloser, weil wir wenig Geld haben und uns Partys und Drogen und all das gar nicht leisten können«, überlegte Nneka weiter, »und wahrscheinlich hat sie sogar recht damit.«
»Quatsch«, sagte ich. »Irgendwann gehen auch wir auf Partys â¦Â«
Nneka griente breit, sodass ihre Augen und ihre Zähne um die Wette funkelten. »Und küssen einen Jungen?«
Ich grinste zurück. »Möglicherweise sogar das.«
Nneka starrte mich mit halb offen stehendem Mund an.
»Hast du etwa schon mal?«
»Was? Einen Jungen geküsst? Nein!«
»Ach, komm schon! Gibâs zu«, feixte sie.
»Hab ich nicht. Ehrlich.«
»Aber du würdest gerne.« Nneka tänzelte leichtfüÃig und mit schaukelnden Hüften hin und her und schlieÃlich um mich herum und trommelte dabei rhythmisch auf ihre Oberschenkel ein. »Und deshalb mache ich einen Liebestanz für dich.«
Ich dachte an Jona und schlagartig bekam ich eiskalte Hände und FüÃe und glühend heiÃe Wangen.
Zum Glück hatte Nneka inzwischen die Augen geschlossen und gab sich leise summend ihrem Tanz hin, während ich stocksteif dastand und geduldig wartete, bis sie ihn beendete. Und das geschah dann sehr plötzlich. Nneka blieb mit einem Ruck stehen und riss die Augen auf. »Verdammt!«, stieà sie hervor.
»Was ist denn jetzt schon wieder los?«
»Celia!«
Ich wirbelte herum und blickte zur Villa hinüber. »Wo?«
»Sie tickt auch anders«, sagte Nneka.
Ich drehte mich wieder zurück. »Wie meinst du das?«
»Na, anders als die ganzen abgehobenen Tussen in unserer Schule.«
»Aber Celia ist doch auch eingebildet«, entgegnete ich. »Und wie sie das ist!«
»Stimmt«, pflichtete Nneka mir bei. »Allerdings muss sie sich richtig dafür anstrengen. Bei ihr wirkt es total unecht und übertrieben. Die anderen Mädchen dagegen sind irgendwie so selbstverständlich und gleichförmig arrogant. Celia passt überhaupt nicht zu denen.«
»Zu uns aber auch nicht«, erwiderte ich.
Einen Moment lang wirkte Nneka nachdenklich.
»Du hast recht«, sagte sie dann. »Celia ist irgendwie völlig anders.«
Oder einfach nur bescheuert, hätte es mein Bruder Krister wahrscheinlich ausgedrückt. Ich fand es allmählich allerdings ziemlich nervig, mir so tiefgründige Gedanken über Celia zu machen, sondern war einfach nur froh, dass sie ab morgen für die Dauer der Osterferien bis zum Ende des Monats aus meinem Leben verschwand.
Tatsächlich gestaltete sich das Leben auf dem Grundstück in Abwesenheit der von Helsings sehr viel entspannter. Evelyn und Nnekas Mutter bekamen ebenfalls jeweils eine Woche Urlaub, nur Papa und der Gärtner arbeiteten weiter. Gemeinsam reisten sie die nähere Umgebung ab, um in GroÃgärtnereien und Baumschulen die schönsten Pflanzen für das Anwesen zusammenzusuchen. Bis zur Rückkehr der von Helsings sollte alles in frischem Frühlingsglanz erstrahlt sein. Und da das Grundstück riesig war, hatten Papa und der Gärtner die ganzen Ferien über damit zu tun.
Mitten in der ersten Woche machten meine Eltern, Josefine, Krister und ich uns am späten Nachmittag noch einmal gemeinsam auf den Weg in die MarillenstraÃe, um dort ein paar weitere persönliche Sachen und Kleinmöbel abzuholen. Die meisten Dinge wie Geschirr, Handtücher und ein paar nicht so leicht verderbliche Lebensmittel blieben zurück, was in mir die
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