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Philippas verkehrte Welt

Philippas verkehrte Welt

Titel: Philippas verkehrte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schroeder
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hastige Bewegungen neben mir und hörte sie keuchen. Zu Fuß war der Weg wirklich kein Pappenstiel, und eigentlich war ich schon völlig fix und fertig, aber ich wollte nicht aufhören zu rennen. Wenn ich rannte, musste ich nicht denken. Und nicht denken zu müssen, war im Moment ein Segen.
    Kurz bevor wir die Gerlitzerstraße erreichten, geriet Celia ins Straucheln. Hinter uns bimmelte ein Fahrradfahrer. Geistesgegenwärtig packte ich sie am Handgelenk und riss sie zu mir herüber. Heftig fluchend brauste einer dieser getunten Möchtegern-Alberto-Contadors an uns vorbei.
    Â»Scheiße!«, stieß Celia aus. »Scheiße! Scheiße! Scheiße!« Dann ließ sie sich in meine Arme fallen und fing an zu heulen. »Ich hab doch gemerkt, dass sie dich lieber hat als mich. Und jetzt weiß ich auch, warum.«
    Â»Nein«, sagte ich und versuchte, nicht an Mama zu denken. »Sie ist doch deine Mutter.«
    Â»Ist … sie … eben … nicht!«, schrie Celia in meine Halsbeuge. Ihre Tränen kullerten in meinen Ausschnitt, und ich spürte, wie mein Top allmählich nass wurde. »Sie ist deine Mutter … Deine! Deine! Deine! … und Paps … er …« Der Rest des Satzes ging in heftigem Schluchzen unter.
    Ich klammerte mich an Celia fest und hatte große Mühe, nicht durchzudrehen. Celia hatte ihre Eltern verloren und ich meine. Und ich hatte auch keine Geschwister mehr und kein Zuhause. Nur die Marillenstraße existierte noch und Limette natürlich, doch auch das würde in weniger als einer Woche bereits der Vergangenheit angehören. Der Einzige, der mir blieb, war Jona. Aber was, wenn Celia recht hatte? Wenn Frau von Helsing lieber mich wollte als sie, wenn sie darauf bestand, dass ich von nun an bei ihr in der Villa lebte, und mich womöglich an Celias Stelle in das Mädcheninternat nach Süddeutschland steckte? Ob Mama und Papa das zuließen? Hätten sie überhaupt die Möglichkeit, es zu verhindern? Vielleicht waren sie ja sogar froh, dass sie mich loswurden und einfach eintauschen konnten, dann mussten sie schließlich kein schlechtes Gewissen mehr haben, weil es mir in unserer neuen Wohnung nicht gefiel.
    Es waren schreckliche und bescheuerte Gedanken, die ich mir am liebsten aus dem Kopf gerissen hätte, aber leider saßen sie so fest, als wären sie mit Pattex angeklebt.
    Â»Es wird alles gut, glaub mir, es wird alles gut«, murmelte ich. Ich sagte es mehr zu mir als zu Celia, und ich versuchte mit aller Macht, daran zu glauben.

    Als wir in der Marillenstraße ankamen und ich Celia hinter mir her durch den Torweg zog, war Jona schon da. Er hockte mit Limette auf seinem Schoß auf der untersten Treppenstufe. »Philippa!«, rief er, setzte Limette sanft neben sich ab und kam auf mich zugelaufen. »Das kann doch alles gar nicht wahr sein! Es ist bestimmt ein Missverständnis.«
    Â»Ist es nicht«, krächzte ich und sank gegen seine Schulter. Meine linke Hand krallte sich in sein T-Shirt und mit meiner rechten hielt ich noch immer Celia fest. Meine Augen füllten sich mit Tränen, und nun war ich es, die Jona das Shirt nass heulte.
    Er hauchte mir einen Kuss ins Haar und flüsterte: »Jetzt lass uns erst mal reingehen.« Er schob seine Hände in die Gesäßtaschen meiner Jeans. »Wo hast du denn den Schlüssel?«
    Oh Gott! Der steckte im Seitenfach meines Rucksacks und der wiederum befand sich in meinem Zimmer im Gästehaus. In der ganzen Aufregung hatte ich überhaupt nicht daran gedacht, ihn mitzunehmen. Ich löste mich von Jona und Celia, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und zog mein Handy hervor. »Ich rufe Nneka an. Sie oder Ayo müssen ihn vorbeibringen.«
    Jona schüttelte unwillig den Kopf. »Was ist mit eurer Nachbarin?«, fragte er. »Die, die sich um Limette kümmert? Die hat doch bestimmt auch einen, oder?«
    Frau Deggers. – Natürlich!
    Â»Ich bin gleich wieder da!«, rief ich, bereits auf dem Weg ins Vorderhaus.
    Zwei Stufen auf einmal nehmend eilte ich in den zweiten Stock hinauf, setzte meinen Finger auf Frau Deggers Klingelknopf und ließ ihn erst wieder los, als ich schnelle Schritte hinter der Tür vernahm.
    Â»Herrgott noch mal, was ist denn jetzt schon wieder los?«, wetterte unsere Nachbarin, während sie öffnete. »Ach, Philippa, du bist das!« Ihre Miene entspannte sich

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