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Philosophenportal

Titel: Philosophenportal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Zimmer
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Lebewesen – vom Menschen auch eine moralische Behandlung von
     Tieren fordert.
    Doch es gibt noch eine zweite Art, in der der Wille sich wenden kann, und diese wird von Schopenhauer noch höher gestellt:
     durch die Abtötung aller Triebe in der Askese. In der vollkommenen Askese verwirklicht sich für Schopenhauer das Ideal der
     Heiligkeit, wie er es |131| bei manchen Vertretern des Christentums, vor allem aber bei den Weisen der indischen Philosophie verwirklicht sieht. Im Mitleid
     und in der Askese gelingt die Aufhebung des principium individuationis – der Mensch löst sich durch sein Handeln aus den Fesseln
     von Raum, Zeit und Kausalität und bringt dadurch die ziellose Energie des Willens zum Erlöschen.
    Mit der Abwendung von der Verstandesethik Kants, die sich an einem sehr abstrakten Moralgesetz orientiert, wertet Schopenhauer
     das ursprüngliche moralische Gefühl des Menschen wieder auf: Die Charaktereigenschaft der Herzensgüte spielt in seiner Ethik
     eine viel wichtigere Rolle als die Befolgung einer moralischen Regel.
    Die Verknüpfung ethischer und metaphysischer Fragen zeigt sich bei Schopenhauer besonders in seiner Erklärung von »Schuld«:
     Er geht von einer Art »Urschuld« aus. Alles Leben, auch das Leben des Menschen, ist von seiner Entstehung her mit Schuld verknüpft,
     ein Gedanke, der nach Schopenhauers Meinung auch in der christlichen Lehre von der Erbsünde enthalten ist. Seine Auffassung,
     dass in der menschlichen Existenz Schuld fortgezeugt wird, findet wiederum in der östlichen Seelenwanderungslehre eine religiöse
     Entsprechung. Der Mensch ist von vornherein mit einem bestimmten Charakter versehen, aus dem sich sein Leben und seine Handlungen
     wie ein sich aufdröselndes Wollknäuel folgerichtig entspinnen.
    Diese Schuld wird nur durch das Verlöschen im Nichts getilgt. Der gewendete Wille führt in dieses Nichts: »Denen, in welchen
     der Wille sich gewendet und verneint hat«, so Schopenhauer, ist »diese unsere so sehr reale Welt mit allen ihren Sonnen und
     Milchstraßen   – Nichts.« Dieses groß geschriebene »Nichts«, das eng mit dem buddhistischen »Nirwana« verwandt ist, ist das letzte Wort der
Welt als Wille und Vorstellung
– das Schlusswort eines Pessimisten, der glaubt, dass dieser Welt, die den Geburtsfehler hat, Produkt des Willens zu sein,
     nicht zu helfen ist.
     
    Die
Welt als Wille und Vorstellung
, die Anfang 1819 bei dem Verleger F.   A.   Brockhaus erschien, brauchte viele Jahre, bis sie von einem größeren Publikum wahrgenommen wurde. Schopenhauers großer |132| Wurf wirkte zunächst wie ein gestrandetes Ufo in einer Zeit, die von der geschichtlichen Macht der Vernunft überzeugt war.
     In den ersten anderthalb Jahren verkauften sich gerade einmal hundert Exemplare, der größte Teil der Auflage musste eingestampft
     werden. Zudem überwarf sich Schopenhauer wegen des Honorars mit seinem Verleger, der mit diesem Buch immerhin ein großes kaufmännisches
     Risiko eingegangen war. Eines der wichtigsten philosophischen Werke des 19.   Jahrhunderts versank für einige Jahrzehnte im Vergessen.
    Schopenhauer selbst hat jedoch nie an der Bedeutung seines Werks gezweifelt. Bescheidenheit in dieser Hinsicht war ihm fremd,
     obwohl oder vielleicht gerade weil seine Umwelt ihm keinerlei Erfolg oder Bestätigung verschaffte. Zunächst sah er das Buch
     noch als Sprungbrett für eine akademische Karriere an. Doch seine Bemühungen, ausgerechnet an der Berliner Universität, der
     Hochburg der ihm so verhassten Hegelschen Philosophie, Fuß zu fassen, scheiterten. Die Studenten zeigten wenig Interesse an
     dem unbekannten Privatdozenten.
    Anfang der dreißiger Jahre siedelte Schopenhauer nach Frankfurt am Main über und richtete sich dort als Privatgelehrter ein.
     Dort schloss er 1843 den zweiten Band der
Welt als Wille und Vorstellung
ab, der 1844 zusammen mit der zweiten Auflage des ersten Bandes erschien. Zu jedem der vier ursprünglichen Teile hatte er
     mehrere Essays geschrieben, die den Hauptgedanken des ersten Bandes fortführen und erweitern. Darunter Essays wie »Über das
     metaphysische Bedürfnis des Menschen« und der in den
Buddenbrooks
erwähnte Aufsatz »Über den Tod und sein Verhältnis zur Unzerstörbarkeit unseres Wesens an sich«, die viel zur späteren Popularität
     des Werkes beigetragen haben. Sie schlagen die Brücke zu konkreten weltanschaulichen Fragen des Menschen und lassen sich auch
     unabhängig von den anderen Teilen

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