Philosophenpunsch
bereden.«
»Schulden bezahlen bitte nicht vergessen«, lächelte Leopold im Gehen. »Und glauben Sie mir: Es ist besser, wenn Sie mir reinen Wein einschenken. Ich bin nicht die Polizei. Wenn Sie mir etwas beichten, werden Sie nicht gleich eingesperrt. Überlegen Sie es sich also gut. Sie wissen ja, wo Sie mich finden.« Er war fürs Erste zufrieden. Im Grunde hatte er erreicht, was er wollte. Schweda war so verunsichert, dass er, eher früher als später, mit der ganzen Wahrheit herausrücken würde.
Er blickte sich noch einmal im Geschäft um. Zwei Etagen, oben die Herren, unten die Damen. Trotzdem alles überschaubar. Eigentlich sah der Frick größer aus, als er tatsächlich war. Auch die Zahl der Angestellten hielt sich in gewissen Grenzen. Gediegen, Durchschnitt, nicht mehr. Eine der Firmen, die sich bis jetzt noch erfolgreich im Überlebenskampf gegen größere Läden und Ketten wehrte. Noch! Bei der Kassa herrschte nicht gerade Hochbetrieb, trotz des bevorstehenden Weihnachtsfestes.
Kassa! Natürlich, das war es. Warum hatte er nicht gleich daran gedacht? Leopold fiel wieder etwas ein, und je mehr er überlegte, desto klarer und schärfer wurden die Konturen seiner Gedanken. Jetzt erschien der Mord an Veronika Plank wieder in einem anderen Licht. Und wie man die Sache auch drehte: Für Mario Schweda sah es dadurch noch schlechter aus.
*
Agnes Windbichler hatte an Gerlinde Pelinkas Tür geläutet, und Gerlinde Pelinka hatte aufgemacht. Selbstverständlich, so als wäre die Zeit stehen geblieben und als hätte sich absolut nichts ändern können, war die einzige Vorankündigung ihres Besuches ein kurzer Brief gewesen, so wie sie Leopold einen geschickt hatte. Das hatte genügt, nach mehr als 20 Jahren, während deren sich die beiden alten Freundinnen nicht gesehen hatten. Jetzt saßen sie bei einem Glas Wein im Wohnzimmer des Hauses, das Gerlinde Pelinka mittlerweile allein bewohnte und das am Ortsende des Floridsdorfer Heurigenbezirkes Stammersdorf, der Kellergasse zu, lag.
Die zwei Damen sprachen über die alten Zeiten – und den Tod ihrer Ehemänner. »So ist dein Ignaz also auch schon unter der Erde«, sagte Gerlinde Pelinka langsam und bedächtig, wie es ihr in ihrem fortgeschrittenen Alter zustand. »Seinetwegen bist du damals ins Waldviertel hinauf. Ich erinnere mich noch gut.«
»Ja, es war eine harte Zeit seit dem Sommer«, nickte ihr Agnes Windbichler zu. »Aber schön langsam geht es mir wieder besser. Sag, wann ist denn dein Mann gestorben?«
»Felix?« Gerlinde legte ihre Stirn in Falten und dachte nach. »Es muss fünf Jahre her sein, oder sechs … oder sind es gar schon sieben? Mein Gedächtnis lässt mich manchmal im Stich. Sein Herz ist halt immer schwächer geworden, und das Wasser hat ihn schließlich erdrückt. Seither betreiben wir keinen Weinbau mehr. Unsere beiden Söhne waren nicht daran interessiert, den Betrieb weiterzuführen.«
»Ihr habt verkauft?«, erkundigte sich Agnes.
»Ja, die Rieden sind weg. Johannes und …« Gerlinde überlegte kurz. »Johannes und sein Bruder …«
»Paul?«, half Agnes.
»Ja, richtig! Johannes und Paul haben das alles erledigt. Sie sind wirklich froh, dass sie mit keiner Rebe mehr etwas zu tun haben. Ja, und jetzt lebe ich hier allein. Das Haus ist mir geblieben. Groß ist es halt, furchtbar groß.«
»Aber schön hast du es hier so am Stadtrand. Es ist immer noch beinahe so wie früher. Richtig ländlich, ohne die Betonklötze, die sonst überall aus dem Boden schießen.«
»Darum bin ich ja auch hier geblieben. Die Buben wollten mich in ihrer Nähe haben, aber warum soll ich mich an eine kleine Wohnung in einem anderen Bezirk gewöhnen? Hier habe ich den größten Teil meines Lebens verbracht, und hier möchte ich auch sterben«, erzählte Gerlinde Pelinka.
»Das verstehe ich gut«, stimmte Agnes Windbichler ihr zu. »Mich würden auch keine zehn Pferde aus Weitra wegbringen.«
»Siehst du, da sind wir uns wieder einig«, sinnierte Gerlinde. »Was wollen wir Alten denn noch viel vom Leben? Unsere gewohnte Umgebung und den Segen der Gesundheit. Ein bisschen vergesslich bin ich geworden, und hie und da drückt und zwickt etwas, sonst geht es mir noch ganz gut. Außerdem habe ich jemanden, der mir mit dem Haushalt hilft.«
»Deine Söhne? Oder deine Schwiegertöchter?«
»I wo! Die kommen ab und zu auf Besuch, und das war’s dann auch schon. Nein, die Frau Jäger ist es, eine echte Perle. Sie wohnt weiter vorn, bei der
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