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Philosophenpunsch

Philosophenpunsch

Titel: Philosophenpunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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mittlerweile aber äußerst bereitwillig, fort. »Wichtig ist, dass die Flüssigkeit nie zu schnell und zu stark erhitzt wird, einfach alles gemütlich vor sich hinsieden lassen. Je mehr Zeit Sie sich dafür nehmen, desto besser wird der Punsch. Am Schluss kommt noch ein Viertelliter 38-prozentiger Inländerrum dazu. Die Tassen dann über ein Sieb anfüllen.«
    »Danke, Frau Heller«, nickte Juricek zufrieden. »Ich glaube, Sie haben mit diesem Rezept die Basis für einen schönen Weihnachtsabend gelegt. Wissen Sie, mein Sohn und ich, wir haben die slawische Seele. Wir reden normalerweise nicht viel. Wir brauchen etwas, das uns in Stimmung bringt. Ich werde mich, wann immer es geht, erkenntlich zeigen.«
    »Aber Sie haben uns doch schon geholfen«, wehrte Frau Heller ab. »Wenn ich nur daran denke, wie Sie es dem Herrn von der Gesundheitspolizei gezeigt haben.«
    In der Zwischenzeit hatte auch Leopold das Lokal betreten. »Da bist du ja, alter Freund«, begrüßte Juricek ihn jovial. »Gut, dass du mir noch Zeit gelassen hast, Frau Heller ein kleines Geheimnis zu entlocken.« Dann setzten sich die beiden an den Tisch neben die ihre Schachpartie ausfechtenden Herren Heller und Sedlacek. Herr Heller erwies sich dabei wieder einmal als der überlegene Spieler. Er hüpfte gerade munter mit seinen zwei Springern über das Brett, in dem Versuch, Sedlacek, der nur mehr seinen König übrig hatte, matt zu setzen. In kurzen, regelmäßigen Abständen gab er ein routiniertes, gedämpftes »Schach« von sich.
    »Na, hast du dir alles genau angesehen?«, erkundigte sich Juricek. »Ich habe vorhin noch einen Anruf erhalten. Klein hat das Bewusstsein wiedererlangt, kann sich aber an nichts mehr erinnern, was nach seinem Besuch im Kaffeehaus passiert ist. Die Möglichkeit, dass er uns seinen Widersacher selbst nennt, können wir also streichen.«
    »Die Geschichte hängt jedenfalls sicher mit dem Mord an Veronika Plank zusammen«, mutmaßte Leopold.
    »Das kann so sein oder auch nicht«, relativierte Juricek.
    »Aber Richard! Glaubst du, es ist ein Zufall, dass einen Tag nach dem Mord eine Person, die mit der Tat in unmittelbarem Zusammenhang steht, ein Liebhaber des Opfers, an genau demselben Ort, wo sich das Verbrechen ereignet hat, niedergeschlagen wird?«
    »Natürlich könnte man jetzt irgendwie davon ausgehen, dass da Liebe und Hass im Spiel sind, sexuelles Vergnügen und Eifersucht. Aber das Einzige, das wir bis jetzt sicher wissen, ist, dass Klein von hinten mit einer wahrscheinlich nicht ganz vollen Rotweinflasche erwischt wurde«, konstatierte Juricek.
    »Der Angreifer wird schon gewusst haben, warum er Klein hinterrücks eine verpasst«, brummte Herr Heller vom Nebentisch, den weißen Springer in der Hand. »Im offenen Kampf hätte er keine Chance gehabt. Ich kenne den Klein. Da kann er noch so obergescheit daherreden oder meinetwegen philosophieren. Das war früher ein ordentlicher Raufbold und Schläger. Schach!«
    »Der war wegen Totschlags im Gefängnis, Richard«, ergänzte Leopold. »Aber das hast du sicher auch schon herausgefunden.«
    »Schwere Körperverletzung mit Todesfolge«, korrigierte Juricek. »Er hat seine damalige Freundin geschlagen, und sie ist mit dem Hinterkopf unglücklich auf der Tischkante aufgeprallt.«
    »Das Urteil war jedenfalls ein Skandal«, mischte sich Herr Heller erneut ein. »Soviel ich weiß, war das Absicht, glatter Mord. Bei mir wäre er nicht so billig davongekommen. Schach!«
    »Er hat seine Strafe jedenfalls abgebüßt und sich seither nichts mehr zuschulden kommen lassen«, bemerkte Juricek. »Seine Beschäftigung mit der Philosophie hat ihm offenbar zu mehr Gelassenheit verholfen.«
    »Dass ich nicht lache. Er hat ein paar Wickel gehabt, seit er wieder aus dem Häfn heraußen ist«, gab Herr Heller noch einmal seinen Senf dazu. »Aber er hat das jedes Mal mit ein bisschen Geld gebegelt.« Seine Augen bewegten sich suchend über das Schachbrett. Er war ungeduldig wie ein Jäger, der sich seiner Beute sicher ist, ihr aber von Schlupfwinkel zu Schlupfwinkel folgen muss. Die Partien mit Herrn Sedlacek spulte er meist ohne große Begeisterung herunter. Zu ungleich war das Spielvermögen der beiden. Aber Herr Sedlacek fand sonst niemanden, der sich Zeit für ihn nahm.
    Jetzt, endlich, sah Herr Heller den entscheidenden Zug. Wie ein Habicht, der sich gleich in Blitzesschnelle auf sein Opfer stürzt, kreiste der Springer ein letztes Mal kurz in der Luft. Mit einem erlösten und

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