Philosophische Anthropologie
Lebendigkeit ausmacht und menschliche Intelligenz von einem bloßen Rechenkalkül unterscheidet.
Künstliche Intelligenz
Um die Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Pionierzeit einer Forschung zur künstlichen Intelligenz (KI) oder »artificial intelligence« (AI), deren Ergebnisse heute bereits Legende und mythischer Stoff von Spielfilmen sind – von Ridley Scotts
Blade Runner
(1982) bis zu Steven Spielbergs
A.I.
(2001). Klassischerweise konzentriert sich die Künstliche-Intelligenz-Forschung auf die Frage »Können Maschinen denken?« Alan Mathison Turing (1912–1954) ist der Pionier dieser Forschungsrichtung, deren grundlegender Text
Computing Machinery and Intelligence
(vgl. Zimmerli 1994, 39–78) im Jahr 1950 publiziert wurde. Am Leitfaden des logischen Behaviorismus untersucht Turing die Grenze zwischen dem sprachlich dargestellten Verhalten von Maschinen und dem von Menschen.
Bekannt geworden ist der sogenannte Turing-Test, in dem ein menschlicher Fragesteller nur über eine Tastatur und einen Bildschirm mit zwei ihm unbekannten Gesprächspartnern eine Unterhaltung führt. Von den Gesprächspartnern ist der eine ein Mensch, der andere eine Maschine. Beide jedoch versuchen, den Fragesteller davon zu überzeugen, dass sie denkende Menschen sind. Sollte die Befragung zu dem Ergebnis führen, dass der Fragesteller auch nach intensivster Befragung nicht klar sagen kann, welcher von beiden Gesprächspartnern Mensch und welcher Maschine ist, hat die Maschine den Turing-Test bestanden.
[115] Alan Turing hat mit der Konstruktion erster Schachprogramme Entwürfe artifiziellen Denkens von enormer Leistungsfähigkeit geliefert. Angesichts dieser Erfolge hat er prognostiziert, dass Maschinen auf intellektuellem Gebiet möglicherweise eines Tages mit dem Menschen konkurrieren. Dabei hat er auch gesehen, dass das Grundproblem des Denkens nicht, wie im Spezialfall des Schachcomputers, die Befähigung zur Verarbeitung schierer Datenmengen und zum logischen Kalkül ist, sondern dass es um Lernfähigkeit und situative Anpassungsfähigkeit des Denkens in komplexen Situationen geht. Deshalb müssen seiner Ansicht nach lernfähige Maschinen mit Sinnesorganen ausgestattet sein, die überhaupt ein Lernen und Verstehenlernen analog zum Entwicklungsprozess eines Kindes ermöglichen. Bis dahin aber ist immer noch ein weiter Weg. Kein Computerprogramm hat bislang den Turing-Test bestanden.
Das stärkste Gegenargument zum Turing-Test liegt auf der Hand: Es ist die Feststellung, dass der Test als eine Simulation einer zwischenmenschlichen Unterhaltung nur einen Bruchteil dessen erfasst, was menschliches Bewusstsein ausmacht. Dieses erschöpft sich eben nicht nur in einer angemessenen Antwort auf gestellte Fragen, sondern kann auch Aspekte der Verweigerung, der Verfremdung, der Ironie, des Spiels usw. einschließen. Der Reichtum schöpferischer Intelligenz geht in Turings Testverfahren gar nicht ein. So kann man sagen, dass selbst ein erfolgreicher Turing-Test nur ein Teilerfolg wäre, insofern wir es mit einer Maschine respektive einem Computerprogramm zu tun haben, das in einem Segment menschlicher Artikulationsfähigkeit in die Dimension des Menschenmöglichen vorgestoßen ist.
Auch die nachfolgende Diskussion zur Künstlichen-Intelligenz-Forschung rückt von dieser Engführung kaum ab. Hilary Putnam (geb. 1926) entwickelt in
Minds and Machines
(1960) das Bild einer intelligenteren Turingmaschine (vgl. Zimmerli 1994, 146–183), der es möglich ist, auch verschiedene mentale Zustände zu simulieren. Mit dieser [116] Vorstellung stützt Putnam die These von einer Analogie zwischen menschlichem Bewusstsein und der Funktionsweise eines Computers. Seiner Ansicht nach kann man im Hinblick auf Maschinen wie Menschen eine funktionale Beschreibung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen neuronalen und verschiedenen mentalen Zuständen vornehmen. Im Analogieschluss findet dann auf der Ebene der Software beziehungsweise des Bewusstseins die Individuierung mentaler Zustände statt, deren Grundlage in der Hardware respektive dem neuronalen Zustand gegeben ist. So lässt sich nach Putnams Ansicht funktional beschreiben, wie sich auf der materialen Grundlage (Neuronennetz) ein bestimmter mentaler Zustand (Bewusstsein) herausbildet und dieser sich für den Akteur und einen Betrachter (Perspektive der 1. und der 3. Person) als Moment von Individuation darstellt.
Putnam wendet sich in diesem Zusammenhang vehement gegen die These einer Identität
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