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Phobia: Thriller (German Edition)

Phobia: Thriller (German Edition)

Titel: Phobia: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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einen Fluchtweg.
    Ich könnte das Fenster aufreißen und um Hilfe rufen.
    Aber wäre das wirklich klug? Würde sie den Verrückten dadurch nicht nur reizen? Vielleicht würde er dann auf eine Weise reagieren, die er bis dahin gar nicht beabsichtigt hatte. Wer konnte schon sagen, was im Kopf eines Mannes vor sich ging, der in fremde Häuser eindrang, um dort mit einem Messer in der Hand »Familie« zu spielen?
    Natürlich wäre es möglich, dass er es mit der Angst zu tun bekam und davonlief, aber darauf bauen konnte sie nicht. Erst recht nicht, nachdem sie vorhin sein Zwinkern gesehen hatte.
    Vor allem aber war es mitten in der Nacht. Bis jemand sie hörte und reagierte, würde Zeit vergehen – wertvolle Zeit, in der dieser vernarbte Spinner sich Zutritt zum Schlafzimmer verschaffen konnte.
    Außerdem war nicht gesagt, dass sie tatsächlich jemand hören würde – oder hören wollte . Erst vor einigen Wochen war nicht weit von hier ein Mädchen vergewaltigt worden. Sie war auf dem Nachhauseweg von einer Party gewesen, als sie von drei Kerlen an einer Bushaltestelle überwältigt worden war. Alle drei hatten sich an ihr vergangen, und sie hatte die ganze Zeit über geschrien – aber niemand war ihr zur Hilfe gekommen.
    Die Wohngegend war sehr vornehm, machte was her, aber in Sachen Nachbarschaftshilfe war sie alles andere als preisverdächtig. Wenn die Kinder nicht zufällig im selben Sportclub waren oder denselben Klavierlehrer besuchten, war man hier lieber für sich.
    Ihr Vater hatte immer gesagt: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott . In Forest Hill galt diese Devise auf jeden Fall. Einen entfernten Hilferuf konnte man ignorieren, aber wenn sie vor der Tür eines Nachbarn stünde, wäre es etwas anderes.
    Die Spencers , dachte sie. Sie waren die nächsten Nachbarn.
    Also lief sie zum Fenster und öffnete es so leise wie möglich. Harvey blieb dicht bei ihr, seine kleine Hand tief in den Stoff ihres Morgenmantels gekrallt. Er sah sie nur an und sagte kein Wort.
    Eisiger Nachtwind wehte zu ihnen herein und zerrte an Sarahs Haaren, als sie sich nach vorn beugte, in den Garten hinunterschaute und versuchte, die Höhe abzuschätzen. Da der Rasen auf dieser Seite abschüssig war, mussten es etwa vier bis viereinhalb, wenn nicht gar fünf Meter sein, und die Wand bot nirgendwo einen Vorsprung. Nichts, an dem man sich festhalten konnte.
    Zu hoch. Es ist viel zu hoch. Wir werden uns sämtliche Knochen brechen.
    Eine längst vergessen geglaubte Erinnerung kam ihr in den Sinn. Sie und Mark, der Nachbarjunge aus ihrer Kindheit, beim Spielen im Garten seiner Eltern. Der alte Kastanienbaum, in dem sie herumgeklettert waren. Mark war ein guter Kletterer gewesen, aber einmal war er danebengetreten und gestürzt. Er hatte sich ein Bein gebrochen, und Sarah hatte ihm einen Smiley auf den Gipsverband gemalt. Damals waren sie etwa in Harveys Alter gewesen, aber sie erinnerte sich noch gut an die Worte seiner Mutter: Der Junge hat riesiges Glück gehabt. Das waren mindestens vier Meter. Er hätte sich das Genick brechen können .
    Sie schrak aus ihren Überlegungen, als sie hinter sich das entfernte Klappern von Geschirr in der Küche hörte. Auch Harvey zuckte zusammen und sah sie aus großen angsterfüllten Augen an.
    »Das Bett«, flüsterte sie ihm zu. »Komm, Schatz, du musst mir helfen!«
    Sie lief zurück zum Bett, warf Decken, Kissen und Laken beiseite und hob die Matratzen an.
    Harvey verstand, was sie vorhatte, und half ihr, eine der Matratzen zum Fenster zu ziehen. Dort lehnten sie sie auf die Fensterbank und kippten sie vorsichtig. Sarah versuchte so gut wie möglich die Fallrichtung abzuschätzen. Dann gab sie ihr einen Stoß.
    Der Wind drückte die Matratze im Fallen gegen die Hauswand, und als sie auf dem Boden aufkam, sah es für einen Augenblick so aus, als würde sie aufrecht stehen bleiben. Doch schließlich kippte sie um und blieb etwa einen halben Meter vom Haus entfernt am Hang liegen.
    Sarah biss sich auf die Unterlippe. Was sie vorhatte, war der blanke Irrsinn, aber was blieb ihr anderes übrig?
    Nicht darüber nachdenken!, rief ihr eine innere Stimme zu – diesmal die ihres Selbstbewusstseins – und feuerte sie an, weiterzumachen.
    »Okay, und jetzt die zweite!«
    Sie zerrten auch die andere Matratze zum Fenster, und gerade, als sie sie auf die Bank gestellt hatten, rüttelte jemand am Türgriff. Die Klinke gab nur wenige Millimeter nach, ehe sie gegen die Stuhllehne schlug. Gleich darauf klopfte

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