Phobia: Thriller (German Edition)
entdeckt hatten, immerhin kamen wir ständig an dieser Stelle vorbei, und das Gras war kurz gemäht, aber dann war ich einfach nur froh, dass ich ihn wiederhatte. Also habe ich nicht weiter darüber nachgedacht. Und erst recht nicht daran, die Schlösser auswechseln zu lassen.«
Sie musste schlucken, ehe sie weitersprechen konnte. »Vielleicht hatte ich den Schlüssel ja gar nicht verloren? Der Kerl könnte ihn mir im Supermarkt aus der Tasche entwendet haben. Ich stell die Tasche mit meinen Sachen oft in den Einkaufswagen. Na ja, und immer hat man den Einkaufswagen ja nicht im Blick. Stephen hat mir das schon häufig genug vorgeworfen … Oder ich habe den Schlüssel wirklich irgendwo verloren, und dieser Verrückte … hat …«
Sie ging ein paar Schritte rückwärts, ohne den Tisch aus den Augen zu lassen.
»Ich darf gar nicht daran denken«, flüsterte sie. »Wir haben Harvey nicht geglaubt. Wir dachten, er habe nur einen bösen Traum gehabt. Wenn dieser Kerl schon damals im Haus war … und wir haben oben geschlafen … Er hätte auch Harvey …«
Sie schlug sich die Hand vor den Mund, und Tränen rannen ihr über die Wangen.
42.
Der eisige Wind ließ ihn frösteln, als er aus dem Bus stieg. Es war bitterkalt, und von der Haltestelle war es noch ein gutes Stück zu Fuß, sodass er lieber ein Taxi genommen hätte. Aber das wäre ein Fehler gewesen, falls die Polizei inzwischen nach einem Mann mit Narben im Gesicht suchte.
Zwar glaubte er nicht, dass es schon so weit war – andernfalls hätte die Presse sicherlich über den Fall Stephen Bridgewater berichtet –, aber er hielt es dennoch für ratsam, auf Nummer sicher zu gehen.
Deshalb hatte er für diesen Weg auch seine eigene Kleidung gewählt, um in dem heruntergekommenen Viertel nicht aufzufallen. Statt Mantel und Anzug trug er seine übliche Schildkappe mit dem Arsenal-Logo, eine graue Jeans, die an den Knien schon etwas abgerieben war, eine Steppjacke mit hohem Kragen und derbe Straßenschuhe.
Die ausgetretenen Schuhe waren deutlich bequemer als Stephens zu kleine Bugattis, aber er fühlte sich dennoch nicht wohl in diesen Sachen. Sie gehörten zu einem anderen Leben, das er eigentlich hinter sich gelassen hatte.
Geduld , mahnte er sich selbst, als er auf die Reihe grauer Wohnblocks der Sozialbausiedlung zuging. Geduld. Bald war es endgültig so weit!
Er kam an einer Gruppe Jugendlicher vorbei, die hinter einem Drahtzaun Basketball spielten. Einer der Jungen sah ihn, blieb wie angewurzelt stehen und zeigte auf ihn.
»Fucko! Das ist ja abgefahren! Schaut mal her, Leute! Da läuft ’n Zombie durch die Gegend!«
Unverzüglich kamen die anderen Jungs angelaufen und grölten ihm durch den Zaun hinterher.
»Hey, Zombie, der Friedhof ist in die andere Richtung! Hast wohl ’nen Ventilator geknutscht, Hackfresse? Scheiße, bist du hässlich!«
Er beachtete sie nicht weiter. Die Jungs sprachen nur aus, was andere dachten.
Als er endlich an dem Wohnblock angekommen war, spürte er vor Kälte seine Finger kaum noch. Der Aufzug war außer Betrieb, und er musste die Treppe zum sechsten Stock nehmen. Das Treppenhaus war mit jeder Menge Graffiti verunstaltet, die Stufen waren mit Kippen übersäht, und es stank nach schalem Bier, kaltem Rauch und Küchendunst.
Als er oben angekommen war, musste er eine kurze Pause einlegen. Seine Kopfschmerzen hatten sich zurückgemeldet, sie pulsierten im wilden Takt seines heftig pochenden Herzens, und das Atmen fiel ihm schwer.
Also wartete er, bis es besser wurde, und betrachtete den Gang. An einer der Türen hing ein Mistelkranz aus Plastik mit einem blinkenden Merry-x-mas -Schriftzug, der in dieser Umgebung bizarr und deplatziert wirkte.
In der Wohnung zu seiner Rechten konnte er einen Mann herumbrüllen hören, von einer anderen drang der Motorenlärm eines Autorennens zu ihm und irgendwo plärrte Rap-Musik.
Kein Ort, an dem er wohnen wollte.
Als er wieder genügend Luft bekam, ging er den Flur entlang und las die Namen auf den Türschildern. Am Ende des Ganges blieb er vor Apartment 69 stehen, suchte vergeblich nach einer Klingel und klopfte.
Hinter der Tür näherten sich schlurfende Schritte. Er hörte, wie eine Sicherheitskette vorgeschoben wurde, dann ging die Tür einen Spaltbreit auf, und eine hagere Frau musterte ihn argwöhnisch.
»Ja, was ist?«
Er wusste, dass sie nicht älter als Mitte zwanzig sein konnte, aber mit ihrer heiseren Raucherstimme und ihren herben Gesichtszügen wirkte sie wie eine
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