Phobia: Thriller (German Edition)
und runzelte die Stirn.
»Pierre? Bist du das, Pierre?«
Wie zur Antwort sah der Kater sich zu ihr um und miaute erneut.
Verwundert ging Phoebe auf ihn zu. Ja, das war Katherines Kater mit dem weißen Fell und dem schwarzen Fleck auf dem Kopf, der an eine Baskenmütze erinnerte und ihm seinen Namen eingebracht hatte: Pierre le Français.
»Was machst du denn hier draußen?«
Sie sah zu den dunklen Fenstern und überlegte – was ihr nach fünf Gläsern Rotwein und einem Whiskey nicht so leichtfiel. Irgendetwas stimmte hier nicht.
Pierre war doch ein Hauskater, und Katherine hätte ihn nie vor die Tür gelassen. Ich habe keine Lust, ihn irgendwann von der Straße kratzen zu müssen , hatte sie oft gesagt. Bei dem Verkehr hier wäre das nur eine Frage der Zeit .
Aber wie war er aus dem Haus gekommen? Katherine war unterwegs, und wie immer würde sie für Pierre vorgesorgt haben. Sein Trockenfutterspender reichte für mehr als eine Woche. Es war unwahrscheinlich, dass er einer Nachbarin oder Freundin entwischt war, die ihn versorgen sollte. Außerdem hätte Katherine in diesem Fall sicherlich sie gefragt, dachte Phoebe. Das tat sie immer. Sie wusste doch, wie sehr Phoebe den pummeligen Fellball mochte.
Doch beim genaueren Hinsehen schien ihr Pierre nun alles andere als pummelig. Er wirkte eher ausgehungert, und sein sonst so gepflegtes weißes Fell war struppig und grau, als hätte er bereits eine längere Zeit im Freien zugebracht.
Je mehr Phoebe nachdachte, desto seltsamer kam ihr die ganze Sache vor. Und wäre sie nicht so betrunken gewesen, wäre ihr der nächstliegende Gedanke wahrscheinlich schon viel früher in den Sinn gekommen.
Einbrecher!
Sie ging durch die Gartentür zum Haus und sah sich genauer um. Nein, da waren keine Spuren eines Einbruchs zu erkennen. Die Tür war verschlossen, und keines der Fenster war hochgeschoben oder eingeschlagen worden.
Merkwürdig.
Sie kramte ihren Schlüsselbund aus der Handtasche – wofür sie in ihrem Zustand mehr Zeit als üblich benötigte – und suchte den Zweitschlüssel zu Katherines Wohnung heraus. Dann schloss sie auf, und noch bevor sie eintreten konnte, flitzte Pierre bereits an ihr vorbei ins Innere.
Phoebe folgte ihm ins Dunkel, nur um gleich darauf erstaunt innezuhalten. Aus dem Wohnzimmer hörte sie leise Musik. R.E.M .s »Losing my Religion«, vermutlich aus dem Radio.
Ob Katherine doch schon wieder zu Hause war? Vielleicht war ihr Freund bei ihr, und die beiden hatten im Eifer des leidenschaftlichen Gefechts nicht mitbekommen, wie ihnen Pierre auf die Straße entwischt war?
Bei dieser Vorstellung entwich ihr ein nervöses Kichern, und sie sah sich suchend um, ob irgendwo auf dem Boden hastig abgestreifte Kleidungsstücke herumlagen. Katherine hatte ihr erzählt, dass ihr Neuer auf solche Quickies abfuhr, und dass sie es schon häufiger getan hatten, kaum dass sie die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatten.
»Katherine?«, rief sie in Richtung des dunklen Wohnzimmers. »Ich bin’s, Phoebe. Pierre war draußen, und ich wollte nur mal nach dem Rechten schauen. Ich werde jetzt das Licht einschalten. Sagt mir Bescheid, falls ihr da drin seid. Dann lasse ich es aus und gehe wieder.«
Wieder kicherte sie und wartete auf eine Antwort, doch außer dem Radio hörte sie nichts. Keine Stimmen. Keine hektischen Bewegungen. Niemand, der eilig nach seinen Kleidern suchte. Nichts.
Sie tastete nach dem Lichtschalter und wurde sogleich von der Wohnzimmerlampe geblendet. Phoebe blinzelte kurz, dann klappte ihr die Kinnlade nach unten, und sie stand wie versteinert da.
Entgeistert starrte sie auf den umgekippten Sessel zu ihren Füßen und auf Pierre, der auf dem Couchtisch saß und an der geronnenen Blutlache auf der Glasplatte leckte.
Teil 5 Spuren in die Dunkelheit
54.
Mark hatte wieder im Studentenwohnheim übernachtet. Dank Somervilles Ausweis konnte er das Zimmer noch für eine Weile behalten, und das war gut so. Ein Hotelzimmer hätte er sich nicht lange leisten können.
Am nächsten Vormittag traf er sich wie verabredet mit Sarah am Eingang der U-Bahn-Station des Piccadilly Circus. Mark hatte sich neben einem Zeitungsstand postiert und trank heißen Kaffee aus einem Plastikbecher. Den Kragen seiner Jacke hatte er hochgeschlagen gegen den frostigen Wind.
Um ihn herum pulsierte das Stadtleben. Menschen eilten an ihm vorbei, beladen mit Einkaufstüten und Paketen. Der stahlgraue Himmel schickte erste Schneeflocken herab,
Weitere Kostenlose Bücher