Phönix
Allmählich versiegten ihre Tränen. Ihre Stimme klang sehr tief. »Es tut mir leid,
Brad, es ist schon wieder vorbei.«
Ich sah, wie sie durch das Zimmer ging. Sie verschwand im Schlafzimmer. Ein paar Sekunden später hörte ich Wasser plätschern. Ich warf meinen Mantel über den Stuhl und ging zum Telefon.
Die Zimmerbedienung in diesem Hotel klappte vorzüglich. Ich hatte gerade etwas Whisky in die Gläser gegossen, als sie zurückkam. Ihr Gesicht sah sauber und frisch aus, und in ihren Augen war keine Spur mehr von Tränen zu sehen. Ich hielt ihr ein Glas hin. »Du kannst einen gebrauchen.«
»Es tut mir leid, Brad«, entschuldigte sie sich erneut. »Ich wollte nicht weinen.«
»Denk nicht mehr dran«, antwortete ich rasch.
Sie schüttelte heftig den Kopf. »Ich hasse Tränen«, fuhr sie beharrlich fort. »Es ist nicht fair.«
Ich ließ mich neben meinen Mantel in den Sessel fallen. »Alles in der Liebe ist fair, und -«
Der Ausdruck auf ihrem Gesicht ließ mich verstummen.
Schweigend nippte ich an meinem Whisky. Meine Nerven hörten auf zu zucken, als der Whisky in meinem Magen landete und alles wohlig in mir kribbeln ließ. Sie saß mir gegenüber.
Wie lange wir so da saßen, werde ich nie genau wissen. Bis ich mir den zweiten Whisky eingegossen hatte und Ruhe und Zufriedenheit mich erfüllten, sagte ich kein Wort. Die Welt und das Geschäft waren so weit weg! Selbst die Enttäuschung von vorhin.
Die Dämmerung hatte das Fenster hinter ihr verhüllt. Meine Stimme hallte durch den Raum. Ich hatte mein Glas erhoben und schaute hinein. Ganz selbständig sprach mein Mund die Worte.
»Ich liebe dich, Elaine.«
Ich stellte das Glas ab und sah sie an.
Sie nickte mit dem Kopf. »Und ich liebe dich«, antwortete sie.
Dann begriff ich, warum sie genickt hatte. Es war, als ob wir es von Anfang an gewußt hätten. Ich rührte mich nicht von meinem
Stuhl.
»Ich weiß nicht, wie es passiert ist oder warum.«
»Das ist egal«, unterbrach sie mich. »Von dem Augenblick an, wo ich dich sah, fing ich wieder an zu leben. Ich war einsam.«
»Jetzt bist du nicht mehr einsam«, antwortete ich.
»Nein?« fragte sie sanft.
Wir trafen uns in der Mitte des Zimmers. Glut brannte in meinem Innern.
Ich spürte, wie sich meine Muskeln mit einer fast vergessenen Kraft strafften. Meine Arme wurden wieder stark, ich preßte Elaine an mich.
Sie schlang ihre Arme um meinen Hals. Ich wandte ihr mein Gesicht zu. Mit verschleierten Augen schaute sie mich an. Nur ihre Lippen bewegten sich. »Nein, Brad. Bitte nicht.«
Ich hob sie auf meine Arme.
Meine Stimme klang rauh, als ich auf sie hinunterblickte. »Dafür gibt es keine Worte. Das ist so einmalig. Das ist noch nie vorher geschehen.« Ich preßte meinen Mund auf ihre Lippen. »Nur uns.«
Ihre Lippen waren warm und bebten. Allmählich aber wurden sie still und strahlten nur noch Wärme aus. Sie lag in meinem Arm wie eine Figur aus altem Elfenbein, die orangefarbenen Strahlen der untergehenden Sonne verwandelten ihre Haut in zartes Gold. Ihr Körper war wie ein Feuer, das zu lange auf den Funken gewartet hatte, damit es brennen durfte. Wir waren in einer anderen Welt, ganz für uns allein, auf einer Wolke genau über dem Mond, schneller als eine Rakete, schneller als das Licht.
Ich fand ihren Mund. Ein Komet traf mich und zerbarst in mir wie tausend Sternschnuppen. Es folgte ein verwirrender Moment der Stille, dann stürzte ich in ein unergründliches Nichts - und ein verrückter Gedanke durchfuhr mich.
Was für eine ausgefallene Art, sich an Matt Brady zu rächen, der mich eine halbe Million Dollar gekostet hatte!
Ich erwachte durch das Geräusch von fließendem Wasser. Ich lag ganz still und gewöhnte meine Augen allmählich an die eigenartige Finsternis. Instinktiv griff ich nach meinen Zigaretten. Sie lagen nicht an ihrem gewohnten Platz. Jetzt erst wurde mir klar, wo ich war.
Ich rollte mich hinüber bis zur Bettkante und setzte mich auf. Ich drehte das Licht auf dem Nachttisch an und schaute auf meine Uhr. Neun. Marge würde sich Sorgen machen. Ich nahm den Hörer ab und gab der Vermittlung meine Nummer.
Ich hörte, wie die Badezimmertür geöffnet wurde. Elaine kam herein. Sie blieb einen Augenblick stehen und schaute auf mich herunter. Das Licht in der Türöffnung rahmte sie ein. Sie hatte ein kleines Handtuch um den Kopf geschlungen und ihren Körper in ein großes Frottiertuch gehüllt.
»Rufst du zu Hause an?« Es war mehr eine Feststellung als eine
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