Phönix
Präsidenten der Vereinigten Staaten gemeint hatte; aber es wäre vergebene Liebesmüh gewesen, und so hielt ich den Mund. Der Fahrstuhl hielt, die Tür öffnete sich, ich stieg aus.
Der Polizist ging dicht hinter mir. »Hier lang bitte, Mr. Rowan.«
Ich folgte ihm auf einem langen, marmorverkleideten Korridor, vorbei an einer Anzahl holzgetäfelter Türen. Neben jeder Tür befand sich eine Lampe in Form einer Fackel, die von einer Figur aus der griechischen Klassik gehalten wurde. Jeden Augenblick wartete ich darauf, daß sich eine der Türen öffnen und ein Leichenbestatter uns zu irgendwelchen sterblichen Überresten geleiten würde.
Er blieb vor einer der Türen stehen, klopfte kurz an, öffnete sie und schob mich hinein. Nach dem Marsch durch den düsteren Flur blieb ich geblendet stehen und hörte, wie sich die Tür hinter mir wieder schloß.
»Mr. Rowan?« Das Mädchen hinter dem halbrunden Schreibtisch schaute mich fragend an.
Ich nickte und trat näher.
Sie stand auf und ging um den Schreibtisch herum. »Mr. Brady ist noch beschäftigt und läßt sich entschuldigen. Würden Sie bitte so freundlich sein und einen Augenblick im Wartezimmer Platz nehmen.«
Ich stieß einen leisen Pfiff aus. Sollte mir noch mal einer weismachen, daß Matt Brady ausschließlich der Stahl am Herzen lag! Nicht bei einer Sekretärin wie dieser! Die Kleine war für gemeinsame Freiübungen wie geschaffen und besaß auch die nötige Ausrüstung dafür.
»Muß ich?« lächelte ich.
Das Lächeln war völlig umsonst, denn sie machte kehrt und führte mich zu einer anderen Tür. Ich folgte ihr langsam und ergötzte mich an ihrem Gang. Sie war eine Frau, die wußte, was sie hatte, und sie zeigte es auch. Sie hielt mir die Tür auf. Ich blieb stehen und musterte sie. »Wie kommt's, daß Sie keine von diesen Spezialpolizeiuniformen tragen?« fragte ich sie.
Sie verzog keine Miene. »Machen Sie sich's bequem«, sagte sie förmlich. »Wenn Sie irgend etwas wünschen, rufen Sie mich bitte.«
»Ist das ernst gemeint?« grinste ich.
Zum erstenmal verriet ihr Gesicht eine Regung. Sie war verwirrt. Ich lachte laut. »Meinen Sie das wirklich?« fragte ich deutlicher.
Das verdutzte Stirnrunzeln verschwand. »Natürlich«, erwiderte sie. »Zigarren und Zigaretten sind in dem Behälter auf dem Tisch. Zeitungen und Zeitschriften in dem Ständer daneben.« Sie schloß die Tür, bevor ich noch Gelegenheit hatte, etwas zu sagen.
Ich schaute mich in dem Raum um. Er war kostspielig, aber dezent eingerichtet: mit Eichenholz getäfelte Wände, schwere lederne Polstermöbel, dicke Teppiche; man versank fast bis zu den Knöcheln darin. Mein Blick fiel auf eine Reihe säuberlich gerahmter Fotografien, die, zu einer Gruppe angeordnet, an der gegenüberliegenden Wand hingen.
Ich ging hinüber. Einige sehr bekannte Gesichter schauten da auf mich herab. Sechs Fotografien, alle mit persönlicher Widmung für Matt Brady. Lauter Präsidenten der Vereinigten Staaten. Woodrow Wilson, Harding, Hoover, F.D. Roosevelt, Truman und Eisenhower. Ich drückte meine Zigarette im Aschenbecher aus. Kein Wunder, daß der Fahrstuhlführer von meinem Scherz nicht begeistert war. Präsidenten kommen und gehen, aber Matt Brady bleibt bestehen. Ich setzte mich hin und starrte auf die Fotografien. Zäher kleiner Mann, Matt Brady. Gerissen. Er hängte die Bilder nicht in seinem Büro auf, wo er seine Besucher damit beeindrucken konnte, wie das jeder andere Mann getan hätte: entweder, indem er darauf hinwies, oder aber, indem er darauf hinzuweisen unterließ. Er häng-te sie in sein Wartezimmer, als wenn er die Leute damit von vornherein in ihre Schranken weisen wollte.
Allmählich begann ich mich zu fragen, was ich eigentlich hier sollte. Jemand, der ein so hochentwickeltes Gefühl für Massenpsychologie besaß wie Matt Brady, brauchte so jemanden wie mich überhaupt nicht. Ich schaute auf meine Uhr. Ungefähr fünf Minuten war ich bereits in diesem Raum. Wenn meine Gedankengänge stimmten, würde er mich nach zehn Minuten rufen lassen. Dann hätte der psychologische Effekt dieses Raumes seine Wirkung getan.
Ich grinste vor mich hin. Beinahe hätte er mich gehabt. Aber bei einem solchen Spiel gibt's immer zwei. Ich stand auf und öffnete die Tür. Das Mädchen schaute verwirrt zu mir auf. Ich nahm mir eine Illustrierte aus dem Ständer und erkundigte mich: »Wo ist der Waschraum?«
Schweigend deutete sie auf die gegenüberliegende Tür. Ich durchquerte eilig den Raum. Als
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