Phönix
wohl der letzte Ort auf der Welt, wo ein junger, vielversprechender Wirtschaftsanwalt seine Praxis eröffnen würde. Ich sah einen Polizisten die Straße entlangkommen und ging auf ihn zu.
»Inspektor«, sagte ich, »können Sie mir vielleicht helfen - ich suche jemanden.«
Ich hatte schon vor langer Zeit entdeckt, daß die Leute im Norden des Staates New York noch wortkarger waren als die Neuengländer. Dieser Polizist hatte offenbar nicht die Absicht zu beweisen, daß ich mich irrte. Er schob seine Mütze in den Nacken und musterte mich langsam von Kopf bis Fuß. Dann sprach - vielmehr grunzte er: »Hmmm?«
»Ich suche einen Rechtsanwalt namens Robert M. Levi.«
Er stand eine Minute schweigend da und überlegte.
»Hier gibt's keinen Rechtsanwalt mit dem Namen.«
»Aber es muß hier einen geben«, beharrte ich. »Mir wurde in Washington gesagt, daß er hier wohnt. Ich komme aus New York, ich muß mit ihm sprechen.«
»Sie meinen, aus der Stadt?« erkundigte er sich.
»Ja. Aus New York City.«
»Hmmm«, brummte er. »Hübscher Tag zum Fahren.«
Er schob ein Stück Kautabak mit der Zunge hin und her und spuckte dann bedächtig in den Rinnstein. »Weshalb suchen Sie den Burschen denn?« fragte er.
Ich hatte so das Gefühl, als wüßte er, wer Levi sei.
»Ich habe einen Posten für ihn. Einen guten.« Mir fiel gerade nichts Besseres ein.
Er schaute mich hinterlistig an. »Rechtsanwälte sind wohl knapp in der Stadt?«
»Nein. Aber Levi steht in dem Ruf, einer der besten in seinem Fach zu sein.«
Sein Blick wanderte die Straße entlang zu meinem Wagen und wieder zu mir zurück. »Einen amtierenden Rechtsanwalt mit dem Namen gibt's hier nicht. Aber einen Bob Levi, den gibt's hier. War Flieger während des Krieges. Ein As! Schoß elf Japaner ab. Hab' gehört, daß er nach dem Krieg ein paar Jahre in Washington war. Vielleicht ist es der.«
Das reichte mir schon. »Ja, das ist er«, sagte ich rasch und steckte mir eine Zigarette an. Dieser Levi mußte ein interessanter Bursche sein. Je mehr ich über ihn erfuhr, desto weniger konnte ich begreifen, daß er sich in diesem Kaff niedergelassen hatte. »Wo finde ich ihn?«
Der Polizist hob den Arm und deutete die Straße hinauf. »Sehen Sie die Ecke da?« Ich nickte, und er fuhr fort. »Gut. Da biegen Sie ab und fahren dann die Straße bis zum Schluß. Das ist alles. Es steht ein Schild da. >Krystal Hundezwinger<. Da wohnt er.«
Ich bedankte mich und stieg in den Wagen. An der Ecke bog ich ein. Es war eine miserable Straße. Anderthalb Kilometer folgte ich ihr. Dann, als ich schon glaubte, der Polizist habe mich zum besten gehalten, wehte der Wind den Lärm bellender Hunde zu mir herüber, und knapp hinter einer Biegung hörte der Weg plötzlich auf. Da war auch das Schild: >Krystal Hundezwinger<. Und darunter: >Drahthaarterrier - Welshterrier. Jungtiere zu verkaufen. Mr. und Mrs. Bob Levi<.
Ich stieg aus dem Wagen und ging auf ein kleines weißes Häuschen zu, das etwas abseits der Straße lag. Aus dem Zwinger dahinter tönte das vergnügte Gekläff der Hunde. Neben dem Haus stand ein Ford-Kombiwagen. Ich drückte auf die Klingel. Innen im Haus läutete es, und gleichzeitig ertönte eine Glocke im Zwinger. Und nun bellten schließlich alle Hunde.
Durch den Lärm hindurch vernahm ich eine männliche Stimme. »Hier hinten!«
Ich ging die Stufen wieder hinunter und um das Haus herum auf den Zwinger zu. Der Weg war gepflegt, der Rasen frisch geschnitten, die Blumenbeete waren gerade in Ordnung gebracht, die Erde umgegraben worden.
»Hier drüben!« rief die Stimme.
Ich spähte durch den Maschendraht. Auf dem Boden saß ein Mann und versorgte gerade einen kleinen Hund, den eine Frau festhielt.
»Bin sofort bei Ihnen«, sagte er, ohne aufzuschauen. Die Stimme war angenehm. Die Frau lächelte mir wortlos zu. Ich beugte mich über den Zaun und schaute ihnen zu. Mit einem langen Tupfer reinigte er dem Hund das Ohr. Er arbeitete sehr konzentriert, die Augen waren zusammengekniffen. Nach einer Minute brummte er etwas und stand auf.
Die Frau ließ den Hund los, und der sauste sofort zu seinen Spielgefährten hinüber.
»Hatte eine Zecke im Ohr«, sagte der Mann und schaute mich an. »Wenn man sie nicht sauber hält, passiert wer weiß was.«
Ich lächelte. »Manchmal kriegen auch die Menschen Zecken in die Ohren. Aber dann nützt auch das Waschen nichts. Man müßte ihnen das Maul waschen.«
Seine Augen waren plötzlich ganz wachsam, er warf seiner Frau einen
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