Physiologie der Ehe (German Edition)
seines Hauses um Auskünfte anzubetteln, wenn er tiefer sinkt als sie, indem er sie für eine geheime Mitteilung bezahlt – so ist das kein Verbrechen; vielleicht ist es eine Gemeinheit, aber ganz gewiß ist es eine Dummheit; denn nichts bürgt dir für die Redlichkeit eines Dienstboten, der seine Herrin verrät, und du wirst niemals wissen, ob er in deinem Interesse handelt oder in dem deiner Frau. Dieser Punkt ist also für uns ein für allemal abgetan.
Die Natur hat als gute und zärtliche Verwandte eine Familienmutter mit den sichersten und schlausten, mit den wahrheitsliebendsten und zugleich verschwiegensten Spionen umgeben, die es auf der Welt gibt. Sie sind stumm und sprechen doch, sie sehen alles und sehen doch anscheinend nichts.
Eines Tages begegnet einer meiner Freunde mir auf den Boulevards; er ladet mich zum Essen ein, und wir gehen in seine Wohnung. Der Tisch war bereits gedeckt, und die Herrin des Hauses teilte jeder ihrer beiden Töchter einen Teller voll von dampfender Suppe zu.
»Aha,« sagte ich bei mir selber, »da haben wir etliche ›erste Symptome‹!«
Wir setzen uns. Der Ehemann beginnt die Unterhaltung und, fragt, nur um etwas zu sagen und ohne sich was dabei zu denken: »Ist heute jemand dagewesen?«
»Keine Katze!« antwortet ihm seine Frau, ohne ihn anzusehen.
Niemals werde ich vergessen, mit welcher Lebhaftigkeit die beiden Töchter ihre Augen zu ihrer Mutter aufschlugen. Besonders bei der älteren, achtjährigen, lag ein ganz eigentümlicher Ausdruck in dem Blick. Es lagen darin gleichzeitig Enthüllungen und Mysterien, Neugierde und Schweigen, Erstaunen und Sicherheit. Wenn irgend etwas sich der Schnelligkeit vergleichen läßt, womit diese reine Flamme ihren Augen entschlüpfte, so war es die bescheidene Vorsicht, womit sie alle beide ihre anmutigen weißen Augenlider wie Vorhänge herunterließen.
Süße und reizende Geschöpfe, die ihr von dem neunten Jahre an bis zum heiratsfähigen Alter so mancher Mutter zur Qual seid, selbst wenn sie keine Kokette ist – habt ihr denn ein besonderes Vorrecht, oder verstehen eure jungen Ohren instinktmäßig den schwächsten Ton einer Männerstimme durch Mauern und Türen hindurch? Wie kommt es, daß eure Augen alles sehen, daß euer junger Geist sich darin übt, alles zu erraten, selbst die Bedeutung eines flüchtig hingeworfenen Wortes oder der geringfügigsten Gebärde eurer Mutter?
Es liegt eine eigentümliche instinktive Dankbarkeit in der Vorliebe der Väter für ihre Töchter und der Mütter für ihre Knaben.
Aber die Kunst, ein gewissermaßen materielles Spioniersystem einzurichten, ist eine Kinderei, und es ist sehr leicht, etwas Besseres ausfindig zu machen, als jener Küster, der darauf verfiel, Eierschalen in sein Bett zu legen, und der von seinem verblüfften Gevatter keine andere Beileidsbezeigung erhielt, als die Worte: »Du selber hättest sie nicht so gut zerstampft.«
Nicht viel besser war der Trost, den der Marschall von Sachsen dem Herrn de La Poplinière gab, als sie zusammen jenen berühmten, vom Herzog von Richelieu erfundenen drehbaren Kamin entdeckten:
»Das ist das schönste Hornwerk, das ich jemals gesehen habe!« rief der Sieger von Fontenoi.
Hoffen wir, daß dein Spionieren dir keine so ärgerlichen Aufschlüsse geben wird. Diese Unannehmlichkeiten sind Früchte des häuslichen Krieges, und so weit sind wir noch nicht.
4. Der Index
Der Papst setzt nur Bücher auf den Index; du dagegen mußt Menschen und Dingen das Siegel der Verdammnis aufdrücken.
Verboten sei es deiner Frau, anderswo ein Bad zu nehmen, als in der eigenen Wohnung.
Verboten sei es deiner Frau, in eurer Wohnung den Herrn zu empfangen, den du als ihren Liebhaber in Verdacht hast, sowie überhaupt irgendeine von den Personen, die an ihrer Liebe irgendeinen Anteil nehmen könnten.
Verboten sei es deiner Frau, ohne dich spazieren zu gehen.
Aber die Wunderlichkeiten, die in jeder Ehe aus der Verschiedenheit der Charaktere, aus den unzähligen Äußerungen der Leidenschaften und aus den Gewohnheiten der Gatten entspringen, bringen in dieses ›Schwarze Buch‹ solche Veränderungen hinein, vermehren oder kürzen den Text desselben mit einer solchen Geschwindigkeit, daß ein Freund des Verfassers diesen Index die ›Geschichte der Glaubensverschiedenheiten der Ehekirche‹ nannte.
Nur auf zwei Dinge kann man in dieser Hinsicht bestimmte Grundsätze anwenden: diese sind der Landaufenthalt und der Spaziergang.
Ein Ehemann darf niemals
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