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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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er an zu jammern, windet sich hin und her und bittet seine Frau um irgendeine Gefälligkeit. Sie entfernt sich für zwei Minuten, und während dieser Zeit springt der Advokat aus dem Bett, faltet ein Papier in Briefform und versteckt den von seiner Frau geschriebenen Brief. Als Anna wiederkommt, steckt der schlaue Ehemann das leere Papier in einen Umschlag, läßt es von ihr an jenen Freund überschreiben, für den der unterschlagene Brief dem Anschein nach bestimmt war, und das arme Geschöpf beauftragt persönlich einen Bedienten mit der Besorgung. Lebrun scheint sich allmählich zu beruhigen; er schläft ein oder tut wenigstens so und sagt am nächsten Morgen, er verspüre noch einige unbestimmte Schmerzen. Zwei Tage darauf reißt er von dem Brief das Vorderblatt ab, versieht im Schlußsatz ›Ihr von Herzen‹ das Wort ›Ihr‹ mit einem ›e‹, faltet in aller Heimlichkeit das Papier, das in aller Unschuld zum Helfershelfer an einer Fälschung wird, siegelt es, kommt aus dem gemeinsamen Schlafzimmer hervor, ruft die Zofe und sagt ihr:
    »Die gnädige Frau bittet Sie, dies zu Herrn Adolphe zu tragen; machen Sie schnell ...«
    Er sieht die Kammerzofe fortgehen, schützt unmittelbar darauf ein Geschäft vor und begibt sich nach der Rue du Sentier in die angegebene Wohnung. In aller Ruhe wartet er bei dem Freunde, der mit ihm im Einverständnis ist, auf seinen Nebenbuhler. Trunken von Glück, eilt der Liebhaber herbei und fragt nach Madame de Vernon; er wird in den Salon geführt und sieht sich dem Maître Lebrun gegenüber, der ihm mit einem bleichen, aber kalten Antlitz, mit ruhigen, aber unversöhnlichen Augen entgegentritt.
    »Mein Herr,« sagt der Advokat mit bewegter Stimme zu dem jungen Buchhalter, dem vor Angst das Herz schlägt, »Sie lieben meine Frau, Sie versuchen, ihr zu gefallen; ich kann Ihnen das nicht übelnehmen, denn an Ihrer Stelle und in Ihrem Alter hätte ich es ebenso gemacht. Aber Anna ist in Verzweiflung; Sie haben ihr Glück gestört, sie trägt in ihrem Herzen die Hölle. Daher hat sie mir alles gestanden. Eine Meinungsverschiedenheit zwischen uns, die sofort wieder beigelegt worden ist, hatte sie dazu getrieben, das in Ihre Hände gelangte Briefchen zu schreiben; statt selbst zu kommen, hat sie mich hierher geschickt. Ich will Ihnen nicht davon sprechen, mein Herr, daß Sie die von Ihnen geliebte Frau unglücklich machen, wenn Sie bei Ihren Absichten bleiben, sie zu verführen, daß Sie ihr meine Achtung rauben und eines Tages auch die Ihrige; daß Ihr Verbrechen auch für die Zukunft Folgen tragen würde, indem Sie vielleicht meinen Kindern Schaden zufügen; von der Bitterkeit, womit Sie mein Leben erfüllen würden, spreche ich Ihnen überhaupt nicht – denn dies wäre ja leider nur lauter leeres Gerede. Aber ich erkläre Ihnen hiermit, mein Herr, der geringfügigste Schritt von Ihrer Seite würde das Signal zu einem Verbrechen sein; denn um Ihnen das Herz zu durchbohren, würde ich es nicht auf den Zufall eines Zweikampfes ankommen lassen!«
    Und die Augen des Advokaten sprühten Tod und Verderben.
    »Aber ei was, mein Herr,« fuhr er in sanfterem Tone fort, »Sie sind jung, Sie haben ein edles Herz; bringen Sie ein Opfer für das künftige Glück der Frau, die Sie lieben! geben Sie sie auf und sehen Sie sie niemals wieder! Und wenn Sie durchaus jemanden aus der Familie brauchen – ich habe eine junge Tante, die bis jetzt niemand zu gewinnen gewußt hat; sie ist reizend, geistvoll und reich; versuchen Sie, sie zu bekehren, und lassen Sie eine tugendhafte Frau in Ruhe.«
    Diese Mischung von Scherz und schrecklichem Ernst, der feste Blick und der volle Klang der Stimme des Ehemanns machten auf den Liebhaber einen unglaublichen Eindruck. Zwei Minuten lang vermochte er überhaupt kein Wort hervorzubringen, wie es manchen allzu leidenschaftlichen Leuten geht, die durch eine heftige Überraschung alle Geistesgegenwart verlieren. Wenn Anna nachher Liebhaber hatte – was übrigens reine Hypothese von uns ist – so war ganz gewiß Adolphe nicht darunter.
    Diese wahre Geschichte kann dem Leser verständlich machen, daß die Korrespondenz ein zweischneidiger Dolch ist, der dem Ehemann für seine Verteidigung ebensowohl zugute kommt, wie der Frau für ihre Inkonsequenz. Begünstige also die Korrespondenz deiner Frau aus demselben Grunde, aus dem der Herr Polizeipräfekt mit aller Sorgfalt die Pariser Gaslaternen anzünden läßt.
3. Die Spione
    Wenn einer sich so weit erniedrigt, die Leute

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