Physiologie der Ehe (German Edition)
geharkt hatte, und er besaß für den Sand seiner Terrassen einen Rechen ganz besonderer Art. Die Fußspuren der verschiedenen Personen seines Hauses hatte er ganz besonders studiert, und schon am frühen Morgen ging er aus und stellte die verschiedenen Spuren fest.
»Das alles hier ist reiner Hochwald,« sagte er zu dem vorhin erwähnten Herrn, indem er ihm seinen Park zeigte; »denn im Unterholz sieht man ja nichts.«
Seine Frau liebte einen der entzückendsten jungen Leute der Stadt. Seit neun Jahren lebte diese Leidenschaft, leuchtend und reich, in den Herzen der beiden Liebenden, die auf einem Ball mit einem einzigen Blick sich gegenseitig erraten hatten; und beim Tanze hatten ihre zitternden Finger durch das duftende Leder ihrer Handschuhe hindurch die ganze Größe ihrer Liebe erkannt. Seit diesem Tage hatten die beiden unendlichen Trost in jenen Nichtigkeiten gefunden, auf welche glückliche Liebende verächtlich herabsehen. Eines Tages führte der junge Mann seinen einzigen Vertrauten geheimnisvoll in ein Zimmerchen, worin er auf einem Tisch und unter Glasglocken sorgfältiger, als wenn es die schönsten Edelsteine der Welt gewesen wären, Blumen aufbewahrte, die im Wirbel des Tanzes seiner Geliebten aus dem Haar gefallen waren, ferner Zweiglein von den Bäumen ihres Parks, die sie berührt hatte, und sogar einen Lehmklumpen mit der schmalen Spur, die der Fuß der geliebten Frau in tonigem Erdreich zurückgelassen hatte.
»Ich hörte«, sagte mir später dieser Vertraute, »in dem tiefen Schweigen, womit wir vor den Schätzen dieses Liebesmuseums standen, die starken und dumpfen Schläge seines Herzens. Ich hob die Augen zur Zimmerdecke empor, gleichsam um dem Himmel ein Gefühl anzuvertrauen, das ich nicht auszusprechen wagte.« »Arme Menschheit!« dachte ich. Dann fragte ich ihn: »Frau von ... hat mir erzählt, eines Abends auf einem Ball habe man Sie fast ohnmächtig in ihrem Spielsalon gefunden; ist das wahr?«
»Das will ich meinen!« antwortete er, indem er seine Wimpern wie einen Schleier über seine brennenden Blicke niedersinken ließ; »ich hatte sie auf den Arm geküßt ... Aber«, fügte er hinzu, indem er mir die Hand drückte und mir einen jener Blicke zuwarf, die einem gleichsam das Herz zusammenpressen – »ihr Mann hat in diesem Augenblick die Gicht sehr dicht am Herzen.«
Einige Zeit darauf erholte der alte Geizhals sich wieder und schien noch lange Zeit leben zu wollen; aber während seiner Rekonvaleszenz legte er sich eines Morgens zu Bett und war plötzlich tot. Spuren von Gift machten sich so auffallend an seinem Leichnam bemerkbar, daß das Gericht eine Untersuchung anordnete, und die beiden Liebenden wurden verhaftet. Und nun spielte sich vor dem Schwurgericht die herzzerreißendste Szene ab, die jemals eine Geschworenenbank zu Tränen gerührt hat. Schon in der Voruntersuchung hatten beide Liebende ohne Umschweife das Verbrechen eingestanden; aber, von ein und demselben Gedanken beseelt, hatte sie es auf sich allein genommen, um ihren Geliebten, hatte er es auf sich allein genommen, um seine Geliebte zu retten. Während die Gerechtigkeit nur einen einzigen Schuldigen suchte, waren plötzlich zwei da.
Die ganzen Verhandlungen bestanden nur darin, daß die beiden Angeklagten mit der ganzen Glut treuer Liebe sich gegenseitig der Unwahrheit beschuldigten.
Zum erstenmal waren sie vereinigt – aber auf der Bank der Verbrecher, und zwischen ihnen saß ein Gendarm. Einstimmig sprachen die in Tränen aufgelösten Geschworenen das ›Schuldig!‹ gegen sie aus. Niemand von denen, die den barbarischen Mut besaßen, sie das Schafott besteigen zu sehen, kann noch heute ohne Schaudern davon sprechen. Die Religion hatte sie dahin gebracht, ihr Verbrechen zu bereuen, aber nicht ihrer Liebe zu entsagen.
Das Blutgerüst war ihr Brautbett, das sie bestiegen, um in die lange Nacht des Todes hinüberzuschlummern.
Die Kunst des Nachhausekommens
Unfähig, die glühenden Aufwallungen seiner Unruhe zu bemeistern, begeht mehr als ein Ehemann den Fehler, nach Hause zu kommen und bei seiner Frau einzutreten, um über ihre Schwäche zu triumphieren, wie jene spanischen Stiere, die, durch den roten ›banderillo‹ aufgeregt, mit wütenden Hornstößen den Pferden wie den Matadoren, Pikadoren, Toreadoren und dergleichen Leuten den Bauch aufschlitzen.
O nein! Mit schüchternem und sanftem Gesicht nach Hause kommen wie Mascarille, der auf eine Tracht Prügel gefaßt ist und lustig wie ein Buchfink
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