Physiologie der Ehe (German Edition)
wird, wenn er seinen Herrn bei guter Laune findet – so macht's ein vernünftiger Mann.
»Ja, meine liebe Freundin, ich weiß ja, während meiner Abwesenheit hattest du volle Befugnis, Unheil anzustiften! Eine andere hätte vielleicht an deiner Stelle das ganze Haus zum Fenster hinausgeworfen, und du hast nur eine Scheibe zerbrochen! Gott segne dich für deine Zurückhaltung. Betrage dich immer so, und du kannst auf meine Dankbarkeit zählen.«
Solche Gedanken müssen sich in deinem Benehmen und in deinen Gesichtszügen aussprechen; aber für dich sagst du: »Vielleicht ist er dagewesen!«
Stets mit einem liebenswürdigen Gesicht die Wohnung betreten – das ist eines jener Ehegesetze, die keine Ausnahme dulden.
Aber die Kunst, nur auszugehen, um nach Hause zu kommen, wenn die Ehepolizei dir eine Verschwörung aufgedeckt hat – aber die Wissenschaft, stets im rechten Augenblick nach Hause zu kommen: ah! darüber lassen sich keine bestimmten Regeln aufstellen. Hierbei kommt alles auf Klugheit und Takt an. Die Ereignisse des Lebens sind stets mannigfaltiger, als die menschliche Phantasie sich träumen läßt. Daher wollen wir uns mit dem Versuch begnügen, dieses Buch mit einer Geschichte auszustatten, die würdig ist, in den Archiven der Abtei von Thélème aufgezeichnet zu werden. Sie wird den großen Vorzug haben, ein neues Verteidigungsmittel ausführlich zu behandeln, das schon in einem der Aphorismen des Professors leise angedeutet war, und den moralischen Inhalt dieser Betrachtung lebendig zu machen – was das einzige Mittel ist, den Leser zu belehren.
Herr von B., Ordonnanzoffizier und vorübergehend als Sekretär dem König von Holland, Louis Bonaparte, beigegeben, befand sich in Saint-Leu, wo die Königin Hortense, von allen ihren Damen umgeben, Hof hielt. Der junge Offizier war eine ziemlich angenehme Erscheinung und blond; er hatte ein geziertes Wesen, schien ein bißchen zu sehr mit sich selbst zufrieden zu sein und sich auf die Stellung des Militärs ungeheuer viel einzubilden; übrigens war er leidlich geistreich und ein großer Komplimentenmacher. Warum seine Galanterien allen Hofdamen der Königin unerträglich geworden waren, davon berichtet die Weltgeschichte nichts. Vielleicht hatte er den Fehler begangen, ihnen allen mit denselben Huldigungen zu nahen. Ja, das war's! Aber bei ihm entsprang dies Benehmen aus Schlauheit. Er betete in jenem Augenblick eine von diesen Hofdamen an, die Gräfin R. Die Gräfin wagte ihren Liebhaber nicht zu verteidigen, weil sie dadurch ihr Geheimnis preisgegeben hätte, ja – was etwas wunderlich erscheint, aber im Grunde recht erklärlich ist – die beißendsten Epigramme gegen ihn kamen von ihren schönen Lippen, während ihr Herz das saubere Bild des hübschen Offiziers beherbergte.
Es gibt Frauen von gewisser Naturanlage, bei denen besonders solche Männer Glück haben, die ein bißchen selbstbewußt sind, elegante Kleider und feines Schuhzeug tragen. Dies sind die Frauen, die gerne schön tun, viel auf einen zarten und gewählten Ton halten. Eine solche Frau war die Gräfin, abgesehen von der Schöntuerei, die bei ihr einen ganz eigenartigen Charakter von Unschuld und Wahrheit trug. Sie entstammte der Familie N., in der aus alter Überlieferung gute Manieren gepflegt werden. Ihr Mann, Graf X., war ein Sohn der alten Herzogin von L. Er hatte das Haupt vor dem Abgott des Tages gebeugt: da Napoleon ihn kürzlich zum Grafen gemacht hatte, so schmeichelte er sich mit der Hoffnung, einen Gesandtenposten zu erhalten. Einstweilen indessen begnügte er sich mit dem Kammerherrnschlüssel. Daß er seine Frau bei der Königin Hortense ließ, geschah ohne Zweifel aus ehrgeiziger Berechnung.
»Mein Sohn,« sagte eines Tages seine Mutter zu ihm; »mit deiner Frau ist etwas los. Sie liebt Herrn von B.«
»Sie scherzen, liebe Mutter! Er hat gestern hundert Napoleons von mir geliehen!«
»Wenn dir an deiner Frau ebensowenig liegt, wie an deinem Gelde, so wollen wir nicht mehr davon sprechen,« sagte die alte Dame kurz angebunden.
Der künftige Gesandte beobachtete die beiden Liebenden, und bei einer Partie Billard, die er mit der Königin, dem Offizier und seiner Frau spielte, empfing er einen jener anscheinend so unbedeutenden Beweise, die in den Augen eines Diplomaten unwiderleglich sind.
»Sie sind schon weiter miteinander gekommen, als sie selber glauben!« sagte Graf X. zu seiner Mutter.
Und er ergoß in die ebenso kluge wie welterfahrene Seele der Herzogin den
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