Physiologie der Ehe (German Edition)
sie sich dir zu Füßen werfen; du darfst sie niemals daliegen lassen, denn das wäre ihrer unwürdig) ... »denn ... du liebst mich nicht mehr, Elisa. Ach ja, mein armes Kind,« (sollte die Tat noch nicht begangen sein, so darfst du sie auch nicht ›mein armes Kind‹ nennen) ... »warum sich selber täuschen? Warum sagten Sie mir es nicht? Wenn zwischen zwei Gatten die Liebe erlischt – bleibt dann nicht noch die Freundschaft, das Vertrauen? Sind wir nicht zwei Gefährten, die denselben Weg zu gehen haben? Soll auf diesem Wege niemals der eine von uns dem andern seine Hand hinstrecken, um seinen Gefährten aufzuheben, vor dem Fallen zu bewahren? Aber ich sage vielleicht schon zu viel und verletze Ihren Stolz ... Elisa! ... Elisa!«
Was, zum Teufel auch, soll hierauf eine Frau antworten? Die Peripetie ist unvermeidlich.
Unter hundert Frauen gibt es wenigstens ein gutes halbes Dutzend schwacher Geschöpfe, die infolge eines solchen derben Stoßes vielleicht für immer zu ihrem Gatten zurückkehren, recht wie verbrühte Katzen, die seitdem auch das kalte Wasser fürchten. Doch ist dieser Auftritt ein Gegengift im wahren Sinne des Wortes, und daher müssen die Dosen mit vorsichtigen Händen abgewogen werden.
Bei gewissen Frauen mit weichen Nervenfasern, sanften und furchtsamen Seelen wird es genügen, auf das Versteck zu zeigen, worin der Liebhaber sitzt und zu sagen: »Da ist Herr A. – Z.!« (Achselzucken.) »Wie können Sie es wagen, ein Spiel zu treiben, wobei zwei brave Männer sich den Hals brechen können? Ich gehe. Lassen Sie ihn heraus, und daß mir so etwas nicht wieder vorkommt!«
Aber es gibt Frauen, die sich infolge zu großer Nervenspannung bei derartigen furchtbaren Peripetien eine Herzerweiterung zuziehen; andere, denen der Schrecken ins Blut schlägt und die in eine schwere Krankheit verfallen. Einige können geradezu den Verstand verlieren. Es fehlt sogar nicht an Beispielen, daß eine Frau sich vergiftet hat oder eines plötzlichen Todes gestorben ist, und wir glauben doch nicht, daß du den Tod der Sünderin wünschest.
Allerdings hat die schönste und galanteste aller Königinnen von Frankreich, die anmutige unglückliche Maria Stuart, nachdem sie ihren Rizzio fast in ihren Armen hatte ermorden sehen, trotzdem später den Grafen Bothwell geliebt. Aber sie war eine Königin, und Königinnen sind Naturen ganz eigener Art.
Wir wollen nun annehmen, die Frau, deren Bildnis unsere erste Betrachtung schmückt, sei eine kleine Maria Stuart, und wollen sofort den Vorhang aufziehen und den fünften Akt jenes großen Dramas, ›Ehe‹ genannt, beginnen lassen.
Die eheliche Peripetie kann überall stattfinden, und tausend Zufälle, die sich nicht vorher beschreiben lassen, können dazu führen. Bald wird es ein Schnupftuch sein, wie im Mohren von Venedig; oder ein Paar Pantoffeln, wie im Don Juan; oder der Irrtum deiner Frau, die statt ›lieber Adolphe!‹ ein ›lieber Alfonse!‹ ausruft. Endlich wird oftmals ein Ehemann, wenn er bemerkt, daß seine Frau in Schulden sitzt, ihren Hauptgläubiger aufsuchen und ihn ganz zufällig eines Morgens in seiner Wohnung erscheinen lassen, um eine Peripetie herbeizuführen. »Herr Josse, Sie sind Juwelier, und Ihrer Leidenschaft, Juwelen zu verkaufen, kommt nur eine andere Leidenschaft gleich, nämlich Ihr Geld dafür zu bekommen. Frau Gräfin ist Ihnen dreißigtausend Franken schuldig. Wenn Sie sie morgen haben wollen,« – man muß den Geschäftsmann in solchen Angelegenheiten stets gegen Ende eines Monats aufsuchen – »so gehen Sie um zwölf Uhr mittags zu ihr. Ihr Mann wird im Zimmer sein; achten Sie auf kein Zeichen, wodurch sie Sie etwa auffordert, stille zu sein, sprechen Sie nur frisch von der Leber weg! – Ich werde bezahlen.«
Mit einem Wort: die Peripetie bedeutet in der Wissenschaft des Ehelebens, was in der Arithmetik die Zahlen bedeuten.
Alle der höheren Ehephilosophie zugrunde liegenden Prinzipien, die den in diesem zweiten Teil unseres Buches angegebenen Verteidigungsmitteln ihr Leben verleihen, sind aus der Natur der menschlichen Gefühle abgeleitet, wir haben sie in dem großen Buch der Welt hie und da verstreut gefunden. Wie nämlich geistvolle Menschen ganz instinktmäßig die Gesetze des guten Geschmacks anwenden, deren Prinzipien auseinanderzusetzen für sie oftmals eine große Verlegenheit sein würde – so haben auch wir zahlreiche liebebeseelte Ehemänner gesehen, die mit außerordentlichem Glück die von uns des nähern
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