Physiologie der Ehe (German Edition)
Normalszene vorführen, und um diese etwas interessanter zu machen, wollen wir annehmen, daß du, mein Leser, der Ehemann seiest, der die Entdeckung macht, daß deine Frau die Einladung zu einem Essen beim Minister – die sie dir vielleicht selbst verschafft hat – dazu benutzen will, um Herrn A. – Z. zu empfangen.
Hier sind alle Bedingungen vorhanden, um eine der schönsten Peripetien herbeizuführen.
Du kommst so zeitig nach Hause, daß deine Ankunft ungefähr mit der des Herrn A. – Z. zusammenfällt; denn wir würden dir nicht raten, einen zu langen Zwischenakt zu riskieren. Aber in welcher Weise kommst du an? Hier sollen für dich nicht mehr die in der vorhergehenden Betrachtung aufgestellten Grundsätze maßgebend sein – ›Also als Wütender?‹ – Erst recht nicht. Du kommst mit einem recht harmlosen Gesicht, als ob du in der Zerstreutheit deine Börse oder die für den Minister bestimmte Denkschrift oder dein Taschentuch oder deine Tabaksdose vergessen hättest.
Nun wirst du also entweder die beiden Liebenden zusammen überraschen, oder deine Frau ist von ihrer Zofe gewarnt worden und hat den Junggesellen versteckt.
Versetzen wir uns in diese beiden Situationen, da außer ihnen eine andere nicht möglich ist.
Hier möchten wir darauf aufmerksam machen, daß alle Ehemänner imstande sein müssen, in ihrem Hause Angst und Schrecken zu verbreiten, und daß von ihnen häusliche Septemberschreckenstage schon lange vorher vorbereitet werden müssen.
So wird ein Ehemann, sobald seine Frau einige ›erste Symptome‹ verraten hat, auf keinen Fall verfehlen, von Zeit zu Zeit eine persönliche Meinung darüber auszusprechen, wie ein Gatte sich in den großen Krisen des Ehelebens zu verhalten habe. Du wirst zum Beispiel sagen:
»Ich? Ich würde ohne jedes Bedenken einen Mann töten, den ich zu den Füßen meiner Frau überraschte.«
Du wirst die Rede auf dieses Thema bringen und im Laufe der Debatte Gelegenheit zu dem Ausspruch finden: das Gesetz hätte, wie bei den alten Römern, einem Ehemann das Recht über Leben und Tod seiner Kinder geben sollen, so daß er die im Ehebruch erzeugten Bankerte töten könnte.
Diese blutdürstigen Ansichten, die ja für dich in keiner Weise bindend sind, werden deiner Frau einen heilsamen Schrecken einjagen; es empfiehlt sich sogar, derartige Aussprüche lachenden Mundes zu tun, indem du ihr etwa sagst: »O mein Gott ja, mein geliebtes Herz, ich würde dich sehr elegant abmurksen. Wäre es dir lieb, wenn du von mir getötet würdest?«
Eine Frau wird stets unwillkürlich fürchten, aus solchem Spaß könnte eines Tages sehr blutiger Ernst werden denn auch diesen Verbrechen, zu denen ein betrogener Gatte sich blindlings hinreißen läßt, steht die Liebe nicht fern. Ferner wissen die Frauen besser als sonst jemand, unter Lachen die Wahrheit zu sagen, und haben darum manchmal ihre Ehemänner im Verdacht, sie wendeten diese weibliche List an.
Wenn also ein Gatte seine Frau mit ihrem Liebhaber überrascht – und wäre es auch nur bei einem unschuldigen Gespräch – so muß sein Kopf, den man so noch niemals gesehen hat, die mythische Wirkung der berühmten Gorgo hervorbringen.
Um unter solchen Umständen eine günstige Peripetie hervorzubringen, mußt du, je nach dem Charakter deiner Frau, entweder einen pathetischen Auftritt à la Diderot spielen oder mit ciceronianischer Ironie vorgehen oder deine mit Pulver geladenen Pistolen von der Wand reißen, ja sogar sie abschießen, wenn du einen großen Spektakel für unbedingt notwendig hältst.
Ein geschickter Ehemann meiner Bekanntschaft hat mit einer Szene gemäßigter Empfindsamkeit einen recht hübschen Erfolg gehabt. Er tritt ein, sieht den Liebhaber und treibt ihn mit einem Blick zur Tür hinaus. Kaum ist der andere fort, so fällt er seiner Frau zu Füßen und deklamiert eine Tirade, worin außer andern Redensarten auch die folgende vorkommt: »Ach, meine teure Karoline, ich habe dich nicht zu lieben gewußt!«
Er weint – sie weint, und diese tränenreiche Peripetie führt vollständig zum Ziel.
Bei der Besprechung der zweiten Art, auf welche sich die Peripetie vollziehen kann, werden wir die Beweggründe auseinandersetzen, die einen Ehemann verpflichten müssen, diesen Auftritt je nach dem mehr oder weniger hohen Grade der ihm gegenüberstehenden weiblichen Kraft abzuändern.
Fahren wir fort!
Wenn du das Glück hast, daß der Liebhaber sich versteckt hat, so wird die Peripetie noch viel schöner
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