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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Catesby und sah, daß es höchste Zeit war, ihr zu Hilfe zu kommen, wenn ihm überhaupt etwas an seiner Ehre lag. Er bekommt einen Gentleman zwischen die Finger und unterbricht die unerlaubte Unterhaltung des Paares, indem er den Herrn um den Leib packt; hierauf wirft er ihn über die Hecke hinüber in einen Straßengraben und sagt, ohne sich weiter zu ereifern:
    »Merken Sie sich gefälligst, mein Herr, daß Sie künftighin sich an mich wenden müssen, wenn Sie hier irgend was wünschen!«
    »Gut, Mylord,« antwortet der Gentleman; »möchten Sie wohl die Güte haben, mir auch mein Pferd herüberzuwerfen?«
    Aber der phlegmatische Lord hatte schon seine Frau unter den Arm genommen und sagte ernst zu ihr:
    »Ich muß dich ernstlich tadeln, mein liebes Kind, daß du mir nicht Bescheid gesagt hattest, ich müßte dich für zwei lieben. Von jetzt an werde ich dich an allen geraden Tagen für Rechnung des Herrn da lieben und an allen ungeraden für meine eigene.«
    Diese Geschichte gilt in England für eines der allerschönsten Beispiele kunstvollen Nachhausekommens. Wirklich vereinigt sie mit einer seltenen Vollendung Beredsamkeit der Gebärde mit Beredsamkeit des Wortes.
    Aber die Kunst des Nachhausekommens, deren Grundsätze nur Ableitungen aus dem in unsern vorhergehenden Betrachtungen empfohlenen System der Höflichkeit und der Verstellung sind – diese Kunst des Nachhausekommens ist nichts weiter, als die beständige Vorbereitung ehelicher ›Peripetien‹, mit denen wir uns jetzt beschäftigen wollen.

Die Peripetien
    Das Wort ›Peripetie‹ ist ein literarischer und dramatischer Fachausdruck, der so viel wie ›die Lösung des Knotens‹ bedeutet.
    In dem Drama, das du spielst, eine Peripetie herbeizuführen, ist ein Verteidigungsmittel, das ebenso leicht ins Werk zu setzen ist, wie dessen Erfolg sicher ist. Indem wir dir also den Gebrauch desselben anraten, wollen wir doch nicht die damit verbundenen Gefahren verhehlen.
    Die eheliche Peripetie läßt sich mit einem jener schönen Fieber vergleichen, die einen Menschen von kräftiger Körperanlage ins Grab bringen oder ihn auf Lebenszeit gesund machen. So führt auch eine Peripetie, wenn sie gelingt, eine Frau auf Jahre hinaus in das Gebiet der Ehrsamkeit und Tugend zurück.
    Zudem ist dieses Mittel das letzte von allen, die uns die Wissenschaft bis heute hat entdecken lassen.
    Die Bartholomäusnacht, die Sizilianische Vesper, Lucrezias Tod, die beiden Landungen Napoleons bei Fréjus sind politische Peripetien. So gewaltige darfst du freilich nicht machen; indessen werden verhältnismäßig deine ehelichen Theatercoups nicht weniger bedeutungsvoll sein, als jene weltgeschichtlichen.
    Nun liegt aber das Genie gerade in der Kunst, Situationen zu schaffen und durch natürliche Ereignisse ein völlig anderes Bühnenbild herbeizuführen; nun aber ist es die schwierigste aller Peripetien, wenn eine Frau, deren Fuß bereits einige Spuren auf dem weichen goldigen Sande der Pfade des Lasters zurückgelassen hat, zur Tugend zurückkehrt; nun aber läßt sich das Genie nicht lernen und nicht lehren – und darum sieht sich der Lizentiat des Eherechts gezwungen, hier zu erklären, daß er völlig außerstande ist, feste Grundsätze für eine Wissenschaft aufzustellen, die ebenso wechselnd ist wie die Umstände, ebenso flüchtig wie die Gelegenheit, ebenso unerklärbar wie der Instinkt.
    Es wird uns daher nichts anderes übrigbleiben, als einige in dieses Kapitel hineingehörende eheliche Situationen flüchtig hinzuzeichnen und es damit zu machen wie jener Philosoph des Altertums, der sich vergeblich das Wesen der Bewegung zu erklären versuchte und schließlich einfach drauflos marschierte, um ihre unfaßlichen Gesetze zu erfassen.
    Ein Ehemann wird, wenn er die in unserer Betrachtung über die Polizei niedergelegten Grundsätze befolgt, seiner Frau ausdrücklich verboten haben, die Besuche des Junggesellen zu empfangen, den er als ihren Liebhaber im Verdacht hat; sie hat versprochen, ihn niemals zu sehen. Es gibt gewisse kleine Auftritte am häuslichen Herde, deren Ausgestaltung wir der Einbildungskraft der Beteiligten überlassen; ein Ehemann wird sie sich viel besser vorstellen, als wir sie ihm schildern könnten, indem er sich in Gedanken jene Tage vorstellt, wo aus köstlichen Begierden aufrichtig gemeinte Vertraulichkeiten entstanden, wo die Triebfedern seiner Politik einige geschickt konstruierte Maschinen in Bewegung setzten.
    Wir wollen hier eine derartige

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