Physiologie der Ehe (German Edition)
sein.
Wenn die Wohnung nur einigermaßen nach den in der Betrachtung über die Wohnungen besprochenen Grundsätzen eingerichtet ist, wirst du leicht das Versteck erkennen, in das sich der Junggeselle hineingezwängt hat – hätte er sich auch wie Lord Byrons Don Juan unter dem Kissen eines Diwans zusammengerollt. Sollte zufällig deine Wohnung in Unordnung sein, so mußt du sie so vollkommen kennen, um zu wissen, daß es in ihr nicht zwei Stellen gibt, wo ein Mann sich verstecken könnte.
Sollte er sich schließlich durch irgendeine teuflische Eingebung so klein gemacht haben, daß er in einen ganz unwahrscheinlichen Winkel geschlüpft wäre – denn von seiten eines Junggesellen muß man auf alles gefaßt sein – nun, so wird deine Frau sich nicht enthalten können, einen Blick auf diesen geheimnisvollen Ort zu werfen oder sie wird absichtlich ihre Augen genau nach der entgegengesetzten Seite wenden, und alsdann ist für einen Mann nichts leichter, als seiner Frau eine kleine Falle zu stellen.
Sobald das Versteck entdeckt ist, gehst du gerade auf den Liebhaber los. Du stehst ihm gegenüber!
Und nun mußt du dir Mühe geben, recht schön dazustehen. Halte beständig deinen Kopf zu drei Vierteln abgewandt, indem du ihn mit einer überlegenen Miene erhebst. Diese Haltung wird viel zu der Wirkung beitragen, die du notwendigerweise erzielen mußt.
Das Allerwichtigste besteht in diesem Augenblick darin, daß du den Junggesellen durch eine bedeutende Redensart, die du vorher in aller Muße improvisiert hast, zu Boden schmetterst; wenn er dann unten liegt, mußt du ihm kalt bedeuten, er könne gehen. Du wirst sehr höflich sein, dabei aber scharf wie das Richtbeil des Henkers und unbeugsamer als das Gesetz. Diese eisige Verachtung wird vielleicht schon in dem Geiste deiner Frau eine Peripetie herbeiführen. Kein Geschrei, keine wilden Armbewegungen, kein Herumtoben! Die Angehörigen der hohen Gesellschaftskreise – hat ein junger englischer Schriftsteller gesagt – gleichen niemals jenen kleinen Leuten, die keine Gabel verlieren können, ohne das ganze Stadtviertel durch das Läuten der Sturmglocke in Aufregung zu bringen.
Ist der Liebhaber fort, so bist du allein mit deiner Frau; und in dieser Situation mußt du sie dir für immer zurückgewinnen.
Du stellst dich vor sie hin, mit einer ruhigen Miene, in der sich aber eine tiefe Bewegung verrät; hierauf wählst du dir von den folgenden Gedanken, die wir dir mit rhetorischer Weitschweifigkeit unterbreiten, diejenigen aus, die am besten mit deinen Grundsätzen übereinstimmen: »Madame, ich werde Ihnen weder von Ihren Eiden noch von meiner Liebe sprechen; denn Sie sind zu klug, und ich bin zu stolz, als daß ich Sie mit den abgedroschenen Klagen behelligen sollte, die alle Ehemänner in einem derartigen Fall vorzubringen das Recht haben; dabei ist eben ihr geringster Fehler, daß sie nur zu sehr im Rechte sind. Ich werde mich sogar, wenn ich kann, vom Zorn freihalten und werde nichts nachtragen. Nicht ich bin der Beschimpfte; denn ich habe ein zu großes Herz, um Angst vor jener öffentlichen Meinung zu haben, die fast immer mit vollem Recht einen Ehemann, dessen Frau sich schlecht aufführt, lächerlich und tadelnswert findet. Ich prüfe mich selbst und finde nicht, wodurch ich, wie die meisten von jenen, es hätte verdienen können, von Ihnen verraten zu werden. Ich liebe Sie immer noch. Niemals verstieß ich, ich will nicht sagen: gegen meine Pflichten – denn es hat mich keine Mühe gekostet, Sie anzubeten; aber niemals, sage ich, verstieß ich gegen jene süßen Verbindlichkeiten, die uns ein wahres Gefühl auferlegt. Sie besitzen mein ganzes Vertrauen; Sie schalten und walten mit meinem Vermögen. Ich habe Ihnen nichts verweigert. Mit einem Wort: heute zum erstenmal zeige ich Ihnen ein mißbilligendes Gesicht, aber selbst jetzt kein strenges. Aber schweigen wir hiervon – denn ich darf mich nicht in einem Augenblicke verteidigen, wo Sie mir auf eine so nachdrückliche Art beweisen, daß mir notwendig irgend etwas fehlen muß und daß ich nicht von der Natur bestimmt bin, die schwierige Aufgabe zu vollbringen und Sie glücklich zu machen. Ich will also nur, wie ein Freund zum Freunde spricht, Sie fragen, wie Sie das Leben von drei Menschen zugleich haben aufs Spiel setzen können: das Leben der Mutter meiner Kinder, die mir stets geheiligt sein wird, das Leben des Familienhauptes und endlich das Leben des ... dessen, den Sie lieben ...« (vielleicht wird
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