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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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weiblichen Taktik, die durch trügerische Gebärden, durch Blicke von einer unglaublichen Berechnung, durch heimtückische Klangfärbungen der Stimme und sogar durch die Fallen eines hinterlistigen Schweigens verstärkt wird, ist gewissermaßen schon der Geist ihres Benehmens erkennbar.
    Hierbei verfallen nun fast alle Ehemänner auf den Gedanken, eine kleine Mausefalle aufzustellen; sie erheben zu ihren Hausfreunden sowohl den Herrn Soundso, wie den phantastischen Baron, den von ihrer Frau verabscheuten Typus, in der Hoffnung, in der Person des anscheinend geliebten Junggesellen einen Liebhaber zu entdecken.
    Oh! Ich habe in der Gesellschaft oft junge Leute getroffen, rechte Springinsfelde, die sich völlig durch die erlogene Freundschaft einer Frau täuschen ließen, die in der Zwangslage war, ihren Mann abzulenken und ihm einen Brennkegel anzusetzen, wie früher ihr Mann ihr welche angesetzt hatte! Diese armen Unschuldsknaben hatten nichts weiter zu tun, als sorgfältig alle möglichen Aufträge zu erledigen, Theaterlogen zu mieten und auszureiten, indem sie zu Pferde die Kalesche ihrer vermeintlichen Geliebten ins Bois de Boulogne begleiteten; man hielt sie allgemein für die Liebhaber von Frauen, denen sie nicht einmal die Hand küßten; ihre Eitelkeit verhinderte sie, gegen diese freundschaftlichen Gerüchte Einsprache zu tun; und wie jene jungen Priester, die unbezahlte Messen lesen, hatten sie, als wahre Überzählige der Liebe, den Genuß einer Paradeleidenschaft.
    Da kommt es denn vor, daß ein Ehemann beim Nachhausekommen den Hausmeister fragt: »Ist jemand dagewesen?« – »Der Herr Baron hat um zwei Uhr vorgesprochen und nach dem gnädigen Herrn gefragt; da er nur die gnädige Frau anwesend fand, ist er gar nicht nach oben gegangen; aber Herr Soundso ist bei ihr.«
    Du trittst ein, du siehst ein junges Herrchen, geschniegelt und gebügelt, salbenduftend, mit eleganter Krawatte einen vollkommenen Dandy. Er behandelt dich mit vielen Rücksichten; deine Frau horcht im geheimen auf das Geräusch seiner Schritte und tanzt fortwährend mit ihm; wenn du ihr verbietest, ihn zu empfangen, erhebt sie ein lautes Geschrei, und erst nach langen Jahren – vergleiche die Betrachtung über die ›letzten Symptome‹ – bemerkst du, daß der Herr Soundso völlig unschuldig und daß der Herr Baron der Schuldige war.
    Eine der geschicktesten Leistungen, die wir auf diesem Gebiete beobachten durften, war das Manöver einer jungen Frau, die von einer unwiderstehlichen Leidenschaft fortgerissen wurde: sie verfolgte mit ihrem Haß einen Mann, den sie nicht liebte, und überhäufte ihren Liebhaber mit heimlichen Beweisen ihrer Liebe. Im Augenblick, wo ihr Mann überzeugt war, daß sie den Cicisbeo liebte und den Patito verabscheute, brachte sie selber sich mit dem Patito in eine Lage, deren Risiko sie zum voraus berechnet hatte; sie brachte dadurch ihren Ehemann und den verabscheuten Hagestolz zum Glauben, daß ihre Abneigung ebenso erheuchelt sei wie, ihre Liebe. Als sie ihren Mann in diese Ungewißheit gestürzt hatte, ließ sie einen leidenschaftlichen Brief in seine Hände fallen. Eines Abends brachte die Frau diese wunderbare Peripetie zum Klappen, warf sich ihrem Mann zu Füßen, umklammerte seine Knie, die sie mit ihren Tränen überströmte, und rief:
    »Ich achte und ehre Sie so sehr, daß ich keinen andern Vertrauten haben will als Sie. Ich liebe! Ist dies ein Gefühl, das ich leicht unterdrücken kann? Nein! Aber eins kann ich, ich kann Ihnen diese Liebe gestehen, ich kann Sie anflehen, mich gegen mich selber zu beschützen, mich vor mir selber zu retten. Seien Sie mein Herr und seien Sie ein strenger Herr gegen mich; reißen Sie mich aus dieser Umgebung heraus; entfernen Sie ihn, der die Ursache all dieses Übels ist; trösten Sie mich; ich werde ihn vergessen, ich wünsche es! Ich will Sie nicht verraten. Ich bitte Sie in aller Demut um Verzeihung für die Hinterlist, auf die ich in meiner Liebe verfallen bin. Ja, ich will Ihnen gestehen, daß das Gefühl, das ich für meinen Vetter zur Schau trug, nur eine Schlinge für Ihren Scharfblick war. Ich habe für ihn eine herzliche Freundschaft – aber Liebe ... o verzeihen Sie mir! ... lieben kann ich nur ... (lautes Schluchzen) ... oh! fort von hier, fort aus Paris!«
    Sie weinte; ihre aufgelösten Haare umflossen sie, ihre Toilette war in Unordnung; es war Mitternacht – der Gatte verzieh. Von nun an ging der Vetter ohne Gefahr in seinem Hause aus und ein, und

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