Physiologie der Ehe (German Edition)
zu führen, das ich nicht kannte; aber der Zufall übernahm es, uns hinzubringen. Eine Tür stand offen, und man sah durch sie meinen Kammerdiener, der in einem Lehnstuhl schlief. Eine Kerze, die neben ihm stand, flackerte in den letzten Zügen. In seiner Verstörtheit hielt er dem Marquis meinen Schlafrock hin. Ich befand mich wie auf Dornen; aber der Marquis war dermaßen geneigt, sich selbst zu täuschen, daß er in meinem Diener nur einen verschlafenen Tölpel sah, über den er herzlich lachte. Wir begaben uns zu Herrn von T. Man kann sich denken, wie er mich empfing, und mit welchen Komplimenten und dringenden Einladungen er den Marquis überhäufte, der durchaus auf dem Schlosse bleiben sollte. Herr von T. wollte mit ihm durchaus zu seiner Frau gehen, in der Hoffnung, daß diese ihn zum Bleiben bestimmen würde. Mir dagegen wagte man nicht, den gleichen Vorschlag zu machen. Man wisse, meine Gesundheit sei sehr zart, die Gegend sei feucht, von Fiebern heimgesucht, und ich sehe so angegriffen aus, daß ganz offenbar ein Aufenthalt im Schloß für mich gefährlich sein müsse. Der Marquis bot mir seinen Wagen an; ich nahm ihn an. Der Ehemann schwebte vor Freude im siebenten Himmel, und wir alle waren zufrieden. Aber ich wollte mir doch nicht die Freude versagen, Frau von T. noch einmal zu sehen. Meine Ungeduld, vom Schlosse fortzukommen, machte einen ausgezeichneten Eindruck. Mein Freund konnte nicht begreifen, warum seine Geliebte so lange schlief.
»Ist es nicht wunderbar?« sagte er, als wir Herrn von T. folgten; »wenn man ihm seine Antworten vorgesagt hätte – er hätte nicht besser sprechen können. Er ist ein Ehrenmann. Es tut mir keineswegs leid, daß er sich mit seiner Frau aussöhnt; sie werden zusammen ein gutes Haus machen, und du wirst zugeben, daß er als Dame des Hauses keine bessere finden kann als sie!«
»Ja, ganz gewiß«
»Und so scherzhaft das Erlebnis auch ist,« sagte er hierauf mit geheimnisvoller Miene; »– motus! Ich werde der Frau von T. beibringen, daß ihr Geheimnis in guten Händen ist.«
»Glaube mir, lieber Freund – sie rechnet auf mich vielleicht zuverlässiger als auf dich; denn, wie du siehst, wird ihr Schlummer von keiner Furcht beunruhigt.«
»Oh! Ich gebe zu: du hast nicht deinesgleichen, um eine Frau einzuschläfern.« »Und einen Ehemann noch obendrein, und nötigenfalls auch einen Liebhaber, mein Wertester.«
Endlich erhielt Herr von T. Einlaß in die Gemächer der Gnädigen. Wir alle waren in unserer Rolle.
»Ich befürchtete,« sagte Frau von T., »Sie wären vor meinem Erwachen abgereist, und ich weiß Ihnen Dank dafür, daß Sie gefühlt haben, welchen Kummer mir das bereitet haben würde!«
»Madame,« sagte ich mit einer Stimme, aus der sie die tiefe Bewegung heraushörte; »empfangen Sie mein Lebewohl!«
Sie sah mich und den Marquis mit einer unruhigen Miene an; aber die spöttische Sicherheit ihres Liebhabers beruhigte sie. Sie lächelte mir verstohlen zu – mit einem Lächeln, das mich trösten konnte, ohne sie in meinen Augen zu erniedrigen.
»Er hat seine Rolle gut gespielt,« sagte der Marquis leise zu ihr, indem er auf mich zeigte, »und meine Dankbarkeit ...«
»Lassen wir das!« sagte Frau von T. zu ihm; »Sie können mir glauben, ich weiß vollkommen, was ich dem Herrn verdanke.«
Herr von T. endlich verabschiedete mich mit einigen Bosheiten: mein Freund übertölpelte ihn und machte sich über mich lustig; ich vergalt es ihnen allen beiden, indem ich Frau von T. bewunderte, die uns alle zum besten hatte, ohne etwas von ihrer Würde zu verlieren. Nachdem ich mich einen Augenblick an dieser Szene geweidet hatte, fühlte ich, daß der Augenblick des Abschieds da war. Ich zog mich zurück; aber Frau von T. ging mir nach, indem sie vorschützte, sie hätte mir noch einen Auftrag zu geben. »Leben Sie wohl, mein Herr! Ich verdanke Ihnen ein sehr großes Vergnügen; aber ich habe Sie dafür mit einem schönen Traum bezahlt!« sagte sie, indem sie mich mit einem unglaublich feinen Blick ansah. »Aber leben Sie wohl, und auf immer! Sie haben eine einsame Blume gepflückt, die im verborgenen erblüht war, und die kein Mann ...«
Sie schwieg und verhüllte ihren Gedanken in einen Seufzer; schnell aber unterdrückte sie diesen Gefühlsausbruch und sagte mit einem boshaften Lächeln:
»Die Gräfin liebt Sie. Wenn ich sie um einige Verzückungen beraubt habe, so bekommt sie dafür in Ihnen einen Jüngling wieder, der etwas weniger unwissend ist.
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