Physiologie der Ehe (German Edition)
Indessen kann die Eifersucht eines Ehemanns sich alles erlauben, und ich bezweifle, daß jener Herr, der seiner Frau verbot, zu den männlichen Heiligen zu beten, und von ihr verlangte, sie solle sich nur an die weiblichen Heiligen wenden – ich bezweifle, sage ich, daß dieser Herr seiner Frau erlaubt hat, mit ihrer Mutter zusammen zu sein.
Viele Schwiegersöhne sind auf einen Gewaltstreich verfallen, der alle Schwierigkeiten beseitigt und darin besteht, daß sie mit ihrer Schwiegermutter ganz offen auf gespanntem Fuße stehen. Diese Feindschaft wäre eine Eingebung einer recht geschickten Politik, wenn sie nicht unglücklicherweise unfehlbar dahin führte, eines Tages die Bande zwischen einer Tochter und ihrer Mutter enger zu knüpfen.
Dies sind so ziemlich alle Mittel, die dir zu Gebote stehen, um den mütterlichen Einfluß in deinem Haushalt zu bekämpfen. Die Dienste dagegen, die deine Frau von ihrer Mutter verlangen kann, sind ungeheuer, und die negativen Hilfen, die ihr von dieser Seite zuteil werden, fallen nicht am leisesten in das Gewicht. Aber dies alles läßt sich wissenschaftlich nicht feststellen, denn alles ist Geheimnis. Die Beihilfen, die eine Mutter ihrer Tochter leistet, sind ihrer Natur nach so veränderlich, hängen dermaßen von den Umständen ab, daß es Wahnsinn wäre, eine Liste von ihnen aufstellen zu wollen. Nur kannst du unter den heilsamsten Lehren dieses Eheevangeliums die folgenden Denksprüche verzeichnen:
Ein Ehemann wird niemals seine Frau allein zu ihrer Mutter gehen lassen.
Ein Ehemann muß die Gründe studieren, die alle Junggesellen von weniger als vierzig Jahren, mit denen deine Schwiegermutter in freundschaftlichem Verkehr steht, an sie fesseln; denn während eine Tochter nur selten den Liebhaber ihrer Mutter gern hat, hat eine Mutter stets eine Schwäche für den Liebhaber ihrer Tochter.
3. Die Pensionsfreundinnen und die intimen Freundinnen
Luise von L., Tochter eines bei Wagram gefallenen Offiziers, hatte die besondere Protektion Napoleons genossen. Sie verließ dann das Pensionat von Écouen, um den sehr reichen Baron von V. zu heiraten. Luise war achtzehn Jahre alt und der Baron vierzig. Sie hatte ein recht gewöhnliches Gesicht, und ihre Hautfarbe konnte nicht als ein Muster von Weiße angeführt werden, aber sie hatte eine reizende Figur, schöne Augen, einen kleinen Fuß, eine schöne Hand, einen natürlichen Geschmack und viel Geist. Der Baron, der durch die Strapazen des Kriegs und noch mehr durch die Ausschweifungen einer stürmischen Jugend stark mitgenommen war, hatte eines jener Gesichter, auf denen die Republik, das Direktorium, das Konsulat und das Kaiserreich ihre Ideen zurückgelassen zu haben schienen.
Er wurde in seine Frau so verliebt, daß er den Kaiser um eine Stellung in Paris bat, um seinen Schatz überwachen zu können. Dieser Wunsch wurde ihm gewährt. Er war eifersüchtig wie der Graf Almaviva, und zwar noch mehr aus Eitelkeit als aus Liebe. Die junge Waise, die ihren Gatten unter dem Zwang der Notwendigkeit geheiratet hatte, hatte sich geschmeichelt, sie würde eine gewisse Herrschaft über einen viel ältern Mann ausüben, und erwartete von ihm Rücksichten und Aufmerksamkeiten; aber ihr Zartgefühl wurde gleich in den ersten Tagen ihrer Ehe durch alle die Gewohnheiten und Ansichten eines Mannes verletzt, dessen Sitten noch nach der republikanischen Zügellosigkeit schmeckten. Er war ein Prädestinierter.
Ich weiß nicht genau, wie lange für den Baron der Honigmond dauerte, und auch nicht, wann in seiner Ehe der offene Krieg losbrach; aber man schrieb, glaube ich, das Jahr 1816, als auf einem sehr glänzenden Ball bei einem seiner Vorgesetzten der Baron, der inzwischen zum Militärintendanten befördert war, die schöne Frau B., die Frau eines Bankiers, bewunderte und sie viel verliebter ansah, als ein verheirateter Mann es sich hätte erlauben dürfen.
Gegen zwei Uhr morgens stellte es sich heraus, daß dem Bankier das Warten zu langweilig geworden und daß er nach Hause gefahren war, seine Frau allein auf dem Ball lassend.
»Nun, da werden wir dich nach Hause bringen,« sagte die Baronin zu Frau B. »Herr von V., bieten Sie doch Emilie den Arm!«
Und da saß der Intendant in seinem Wagen neben einer Frau, die den ganzen Abend über von tausend Huldigungen umschwärmt gewesen war, die tausend Huldigungen zurückgewiesen hatte, und von der er, jedoch vergeblich, einen einzigen Blick erhofft hatte. Da saß sie, glänzend von Jugend und
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