Physiologie der Ehe (German Edition)
Leben Sie wohl, erzürnen Sie mich nicht mit meiner Freundin.«
Sie drückte mir die Hand und ging.
Mehr als einmal waren die Damen, da sie ihre Fächer nicht bei sich hatten, errötet, doch verziehen sie dem alten Herrn an seiner Vorlesung auch gewisse Einzelheiten, die wir unterdrückt haben, da sie für unsere gegenwärtige Zeit zu erotisch wären; indessen ist anzunehmen, daß jede Dame ihm noch im geheimen ihr Kompliment gemacht hat; denn einige Zeit darauf schenkte er ihnen allen wie auch den männlichen Gästen jenes Abends ein Exemplar dieser köstlichen kleinen Geschichte, die er in fünfundzwanzig Exemplaren bei Pierre Didot hatte drucken lassen. Aus dem Exemplar Nummer vierundzwanzig hat der Verfasser die Grundzüge dieser sonst unbekannten Erzählung abgeschrieben, die merkwürdigerweise – so behauptet man wenigstens – der Feder Dorats entstammt, die aber das Verdienst hat, den Ehemännern einige Lehren von hoher Bedeutung zu bieten und den Junggesellen ein entzückendes Sittenbild aus dem vorigen Jahrhundert.
Die Verbündeten der Frau
Von allen Leiden, die ein innerer Krieg über ein Land bringen kann, ist es das größte, daß eine der beiden Parteien sich zuletzt stets um Hilfe an das Ausland wendet.
Leider müssen wir gestehen, daß alle Frauen dieses große Unrecht begehen, denn ihr Liebhaber ist nur der erste von ihren Soldaten, und meines Wissens gehört er nicht zu ihrer Familie, es sei denn ein Vetter von ihr.
Diese Betrachtung ist also dazu bestimmt, zu prüfen, welchen Grad von Hilfe alle die verschiedenen Mächte, die das menschliche Leben beeinflussen, deiner Frau gewähren können; oder noch besser, wir wollen die Listen untersuchen, deren sie sich bedienen wird, um diese Hilfsstreitkräfte gegen dich zu bewaffnen.
Zwei Menschen, die durch die Ehe vereinigt sind, stehen unter dem Einfluß der Religion und der Gesellschaft, des Privatlebens und, hinsichtlich ihrer Gesundheit, unter der der Medizin: wir wollen daher diese wichtige Betrachtung in sechs Abschnitte teilen:
Die Religionen und die Beichte in ihren Beziehungen zur Ehe,
Die Schwiegermutter,
Die Pensionsfreundinnen und die intimen Freundinnen,
Die Verbündeten des Liebhabers,
Die Kammerzofe,
Der Arzt.
1. Die Religionen und die Beichte in ihren Beziehungen zur Ehe
La Bruyère hat sehr geistreich gesagt: »Frömmigkeit und Galanterie gegen einen Ehemann verbündet, das ist zu viel: eine Frau sollte sich beschränken und nur eins von den beiden Mitteln wählen.«
Der Verfasser ist der Meinung, daß La Bruyère sich geirrt hat. Denn,
2. Die Schwiegermutter
Bis zum Alter von dreißig Jahren ist das Antlitz einer Frau ein Buch, das in einer fremden Sprache geschrieben ist und das man auch übersetzen kann – trotz den Schwierigkeiten, die die vielen ›Gynäcismen‹ des Idioms bereiten; ist sie aber über die Vierzig hinaus, so wird eine Frau ein unentzifferbares Gekritzel, und wenn überhaupt jemand eine alte Frau erraten kann, so ist es eine andere alte Frau. Einige Diplomaten haben sich mehrmals an das diabolische Unternehmen gewagt, alte Damen, die sich ihren Plänen widersetzten, für sich zu gewinnen; aber wenn sie Erfolg gehabt haben, so geschah dies nur um den Preis von Opfern, die für sie selber ungeheuer waren; denn alte Diplomaten sind sehr abgenutzte Herren, und wir glauben nicht, daß dir ihr Rezept bei deiner Schwiegermutter etwas nützen kann. Sie wird also der erste Adjutant deiner Frau sein; denn wenn die Mutter nicht zur Partei ihrer Tochter gehörte, so wäre das eine jener Ungeheuerlichkeiten, die zum Unglück für die Ehemänner leider sehr selten sind.
Wenn ein Mann so glücklich ist, eine Schwiegermutter zu besitzen, die sich sehr gut konserviert hat, so ist es für ihn leicht, sie eine gewisse Zeitlang in Schach zu halten, wenn er nur irgendeinen mutvollen jungen Mann kennt. Im allgemeinen aber wissen die Ehemänner, die nur ein bißchen Verständnis für ihren Beruf haben, ihre eigene Mutter gegen die Mutter ihrer Frau auszuspielen, und hierdurch neutralisieren die beiden einander auf eine ziemlich natürliche Weise.
Seine Schwiegermutter in der Provinz zu haben, während man selber in Paris wohnt, das ist einer jener Glücksfälle, die immer allzu selten vorkommen.
Mutter und Tochter miteinander entzweien? Das ist möglich; aber um ein solches Unternehmen durchzuführen, muß man wissen, daß man ein ehernes Herz hat wie Richelieu, der einen Sohn und seine Mutter zu verfeinden wußte.
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