Physiologie der Ehe (German Edition)
steht es ja den Ehemännern frei, diese Tändeleien für Berechnungen oder diese Berechnungen für Tändeleien zu nehmen. Das Allerschönste am ganzen Leben sind seine Illusionen. Das Allerachtungswerteste sind unsere an und für sich ganz wertlosen Glaubensmeinungen. Gibt es nicht viele Leute, deren Grundsätze nur Vorteile sind, die nicht stark genug sind, um ein ›Glück an sich‹ und eine ›Tugend an sich‹ begreifen zu können, und die sich daher mit einer von den Gesetzgebern fix und fertig gelieferten Glückseligkeit und Tugend zufriedengeben? Daher wenden wir uns auch nicht an alle diese Manfreds, die zu viele Röcke hochgehoben haben und daher jetzt in den Augenblicken, wo eine Art von moralischem Spleen sie quält, alle Schleier lüften wollen. Soweit sie in Betracht kommen, haben wir jetzt die Frage klipp und klar aufgestellt, und wir kennen die Ausdehnung des Übels.
Es erübrigt uns, zu betrachten, welche Aussichten im allgemeinen jeder Mann hat, wenn er eine Ehe eingeht, und besonders die Umstände zu untersuchen, die in dem Kriege, aus dem unser Kämpe als Sieger hervorgehen soll, seine Kräfte schwächen.
Die Prädestinierten
Prädestiniert bedeutet: im voraus zu Glück oder Unglück bestimmt. Die Theologie hat sich dieses Wortes bemächtigt und bedient sich seiner stets, um die Seligen zu bezeichnen; wir dagegen legen diesem Ausdruck eine Bedeutung bei, die für unsere Auserwählten – von denen man im Gegensatz zu denen des Evangeliums sagen kann: »Viele sind berufen und viele sind auserwählt« – nicht eben angenehm ist.
Die Erfahrung hat gelehrt, daß gewisse Menschenklassen mehr als andere gewissen Schwächen und Leiden unterliegen: die Gascogner zum Beispiel übertreiben gern, die Pariser sind eitel; vom Schlagfluß werden besonders Kurzhalsige getroffen; der Karbunkel – eine Art Beulenpest – stürzt sich mit Vorliebe auf die Fleischer, die Gicht auf die Reichen, die Gesundheit auf die Armen, die Schwerhörigkeit auf die Könige, die Gliederlähmung auf die Verwalter. So hat man auch bemerkt, daß gewisse Klassen von Ehemännern besonders bevorzugte Opfer der illegitimen Leidenschaften werden. Diese Ehemänner und ihre Frauen beanspruchen den größten Teil der Junggesellen. Sie bilden eine Aristokratie etwas eigentümlicher Art. Sollte irgendein Leser sich in einer dieser aristokratischen Klassen befinden, so werden er oder seine Frau – wenigstens hoffen wir es – Geistesgegenwart genug besitzen, sich sofort des Lieblingssatzes in Lhomonds lateinischer Grammatik zu erinnern: »Keine Regel ohne Ausnahme.« Ein Hausfreund kann sogar den Spruch zitieren:
Die Anwesenden sind immer ausgenommen.
Und alsdann wird ein jeder von ihnen im stillen Innern das Recht haben, sich für eine Ausnahme zu halten. Aber unsere Pflicht, unsere Teilnahme für die Ehemänner und unser Wunsch, alle die vielen jungen und hübschen Frauen vor den Launen und Unannehmlichkeiten zu bewahren, unter denen ein Liebhaber sie wird leiden lassen – dies alles nötigt uns, die Ehemänner, die sich ganz besonders in acht nehmen müssen, in Reih und Glied aufmarschieren zu lassen.
In dieser Aufzählung müssen die erste Stelle jene Ehemänner einnehmen, die durch ihre Geschäfte, Ämter oder Dienstobliegenheiten zu bestimmten Stunden und während einer bestimmten Zeit von Hause ferngehalten werden. Diese werden das Banner der Gilde zu tragen haben.
Unter ihnen nennen wir mit besonderer Auszeichnung die unabsetzbaren und absetzbaren Beamten, die genötigt sind, einen großen Teil des Tages im Justizpalast zu verweilen. Die andern Beamten machen es doch zuweilen möglich, ihr Bureau zu verlassen; aber ein Richter oder königlicher Staatsanwalt, die auf den liliengeschmückten Sesseln thronen – die müssen sozusagen während der Gerichtsverhandlung sterben. Das ist ihr Schlachtfeld.
Dasselbe gilt von den Abgeordneten und Pairs, die über die Gesetze zu beraten haben; von den Ministern, die mit dem König arbeiten; von den Abteilungsvorständen, die mit den Ministern arbeiten; von den Militärs, die im Felde liegen; und endlich vom Korporal, der Patrouillendienst hat – wie aus Lafleurs Brief in der ›Sentimentalen Reise‹ hervorgeht.
Gleich hinter den Leuten, die sich zu bestimmten Stunden aus ihrer Wohnung entfernen müssen, kommen jene, denen umfangreiche und ernste Geschäfte keine Minute Zeit lassen, um liebenswürdig zu sein; ihre Stirnen sind stets sorgenvoll, ihre Unterhaltung ist selten
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