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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Ehebrecherin? Wenn Gott ihr ihre Sünde vergibt, so kann doch das musterhafteste Leben hienieden nicht die lebenden Früchte ihres Fehltritts aus der Welt schaffen. Wenn Jakob I. Rizzios Sohn ist, so hat Marias Verbrechen so lange gedauert, wie ihr unglückseliges königliches Haus, und dann ist der Sturz der Stuarts Gerechtigkeit.
    Aber – wenn wir aufrichtig sein wollen! – bringt denn die Selbstbestimmung der jungen Mädchen wirklich so viele Gefahren mit sich?
    Es ist sehr leicht, eine junge Person zu beschuldigen, sie lasse sich durch den Wunsch verleiten, um jeden Preis ihres Mädchenstandes ledig zu werden; aber dies hat nur unter unsern gegenwärtigen Sittenverhältnissen Geltung. Heutzutage kennt eine junge Dame weder die Verführung noch deren Schlingen; sie hat als Stütze nur ihre Schwäche, und da sie nur die bequemen Grundsätze der feinen Welt vor Augen hat, so ist ihre trügerische Einbildungskraft, die von Begierden gelenkt wird, die auf allen Seiten Bestärkung finden, eine blinde und um so unzuverlässigere Führerin, da selten ein junges Mädchen einen andern Menschen in die geheimen Gedanken ihrer ersten Liebe einweiht.
    Wenn sie frei wäre, würde eine vorurteilslose Erziehung sie dagegen wappnen, sich in den ersten besten zu verlieben. Sie wäre – wie wir alle – viel stärker gegenüber bekannten Gefahren als gegenüber solchen, deren Umfang sich ihren Blicken verbirgt. Wenn übrigens ein Mädchen seine eigene Herrin ist, wird sie darum weniger unter dem wachsamen Auge ihrer Mutter stehen? Will man denn jene Scham und Ängstlichkeit für nichts rechnen, denen die Natur nur darum eine solche Macht über die Seele einer Jungfrau gegeben hat, um sie vor dem Unglück zu bewahren, daß sie einem Mann angehören muß, den sie nicht liebt? Und endlich – wo ist das Mädchen, das so wenig zu rechnen verstände, um nicht zu ahnen, daß der unmoralischste Mann bei seiner Frau Grundsätze zu finden verlangt, so wie die Herrschaften verlangen, daß ihre Dienstboten vollkommen seien – und daß dann für sie ihre Tugend das gewinnreichste und ergiebigste Geschäft ist?
    Um was handelt es sich hier denn überhaupt? Für wessen Anwalt hält man uns denn? Wir treten ein für höchstens fünf- oder sechshunderttausend Jungfernschaften, deren Waffen ihre natürlichen Abneigungen und der hohe Preis sind, zu dem sie sich selber einschätzen: sie wissen sich ebensogut zu verteidigen wie zu verkaufen. Die achtzehn Millionen menschlicher Wesen, die wir außerhalb unserer Betrachtungen gestellt haben, verheiraten sich fast alle nach dem System, das wir in unsern Sitten zur Geltung bringen möchten. Und in den Mittelklassen, durch die unsere armen Zweihänder von den an der Spitze der Nation marschierenden Bevorrechtigten geschieden sind – in diesen nimmt seit dem Frieden die Zahl der Findelkinder, die von diesen zwischen Armut und Wohlstand in der Mitte stehenden Klassen dem Unglück überliefert werden, beständig zu, wenn man Herrn Benoiston von Châteauneuf glauben darf – einem der mutvollsten Gelehrten, die sich den trockenen und doch so nutzbringenden Nachforschungen der Statistik gewidmet haben. Für welch eine tiefe Wunde bringen wir also das Heilmittel? Man denke doch nur an die große Zahl der Bastarde, die uns die Statistik nachweist, und an das viele Unglück, das nach unsern Berechnungen in der hohen Gesellschaft vorkommen dürfte! Aber es ist schwierig, hier auf alle Vorteile aufmerksam zu machen, die sich aus der Emanzipation der jungen Mädchen ergeben würden. Wenn wir später die Begleitumstände der Ehe, wie unsere Sitten sie herausgebildet haben, näher betrachten, dann werden urteilsfähige Geister den ganzen Wert des Systems freier Erziehung ermessen können, das wir im Namen der Vernunft und der Natur für die jungen Mädchen verlangen. Unser französisches Vorurteil hinsichtlich der Jungfräulichkeit der Neuvermählten ist das dümmste von allen, die wir haben. Die Orientalen nehmen ihre Frauen, ohne sich um die Vergangenheit zu beunruhigen, und sperren sie ein, um der Zukunft um so sicherer zu sein; die Franzosen geben ihre Töchter in eine Art von Serails, die von Müttern, von Vorurteilen, von religiösen Ideen bewacht werden, und geben ihren Frauen die vollständigste Freiheit – beunruhigen sich also viel mehr um die Vergangenheit als um die Zukunft. Es würde sich also nur darum handeln, in unsern Sitten künftighin eine umgekehrte Reihenfolge zu beobachten. Vielleicht würden

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