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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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durchsetzen kannst, ohne sie jemals das Gewicht deiner Persönlichkeit, deiner geistigen Überlegenheit, ja auch nur ihres Glückes fühlen zu lassen. Wenn du sie in einer Unwissenheit erhältst, daß diese nicht ganz und gar ihren Geist erstickt hat, so wirst du es so einzurichten wissen, daß ihr euch gegenseitig noch einige Zeit nacheinander sehnt.

Die Wohnung
    Die im vorhergehenden angegebenen Systeme und Mittel sind gewissermaßen rein moralischer Natur. Sie entsprechen der edlen Anlage unserer Seele und haben nichts Abstoßendes. Jetzt aber werden wir uns zu den Vorsichtsmaßregeln à la Bartolo wenden. Nur nicht weich werden! Es gibt einen Ehemannsmut, wie es einen Bürgermut und Soldatenmut, wie es einen Nationalgardistenmut gibt.
    Was ist das erste, was ein kleines Mädchen tut, wenn es einen Papagei gekauft hat! Nicht wahr, sie sperrt ihn in einen schönen Käfig ein, aus dem er nicht ohne ihre Erlaubnis herauskommen kann?
    Dieses Kind lehrt dich, was deine Pflicht ist. Die ganze Einrichtung deines Hauses und die Anordnung der Zimmer muß also darauf abzielen, daß deine Frau sie nicht zu ihren Zwecken benutzen kann, falls sie beschlossen haben sollte, dich dem Minotauros zu überliefern; denn die Hälfte aller ehelichen Unglücksfälle ereignen sich infolge der bedauernswerten Bequemlichkeiten, die in dieser Hinsicht durch unsere Wohnungen dargeboten werden.
    Vor allen Dingen halte darauf, daß dein Hausmeister ein alleinstehender Mann und dir persönlich völlig ergeben ist. Ein solcher Schatz ist leicht zu finden: welcher Ehemann hat nicht irgendwo in der Welt einen Pflegevater oder irgendeinen alten Diener, der ihn früher hat auf seinen Knien reiten lassen?
    Du mußt dafür sorgen, daß ein Haß wie zwischen Atreus und Thyest sich zwischen deiner Frau und diesem Nestor, dem Wächter deiner Tür, erhebt. Diese Tür ist das Alpha und das Omega einer Liebesintrige. Denn laufen nicht alle Liebesintrigen schließlich stets auf die Frage hinaus: hineinkommen, herauskommen?
    Dein Haus würde dir nichts nützen, wenn es nicht vorne den Hof und hinten den Garten hätte und so gebaut wäre, daß es mit keinem andern Hause in Verbindung steht.
    Zunächst beseitigst du in euren Empfangszimmern jeden noch so kleinen Hohlraum. Ein Wandschrank, und enthielte er nur sechs Töpfe mit Eingemachtem, muß vermauert werden. Du bereitest dich zum Kriege vor, und der erste Gedanke eines Generals ist stets, seinem Feinde die Lebensmittel abzuschneiden. Daher dürfen in den Wänden keine Unterbrechungen sein, damit sie dem Auge Linien darbieten, die sich leicht überblicken lassen, und an denen man sofort den geringsten fremden Gegenstand erkennen kann. Sieh dir die Überreste der antiken Bauwerke an, und du wirst finden, daß die Schönheit der griechischen und römischen Wohnungen besonders auf der Reinheit der Linien, der einfachen Klarheit der Wände, der geringen Anzahl der Möbel beruhte. Die Griechen hätten mitleidig gelächelt, hätten sie in einem Salon die Hiatus unserer Schränke bemerkt.
    Dieses ausgezeichnete Verteidigungssystem muß besonders in den Gemächern deiner Frau zur Anwendung kommen. Laß sie niemals ihr Bett so drapieren, daß man in einem Labyrinth von Vorhängen darum herum spazieren gehen kann, sei unerbittlich hinsichtlich der Verbindung mit den andern Zimmern; ihr Zimmer muß am Ende eurer Empfangsräume liegen; dulde keinen andern Ausgang als auf die Salons, damit du mit einem einzigen Blick sehen kannst, wer zu ihr kommt und von ihr geht.
    ›Figaros Hochzeit‹ wird dir ohne Zweifel gezeigt haben, daß das Zimmer deiner Frau in bedeutender Höhe über dem Erdboden liegen muß. Alle Junggesellen sind Cherubins.
    Dein Vermögen gibt ohne Zweifel deiner Frau das Recht, ein Ankleidezimmer, ein Badegemach und ein Zimmer fürs Kammermädchen zu verlangen; da denke an Susanne und begehe niemals den Fehler, dieses Zimmerchen unter den Gemächern der gnädigen Frau liegen zu lassen; bringe es stets oberhalb derselben an und scheue dich auch nicht, dein Haus durch häßliche Einschnitte in den Fenstern zu entehren.
    Sollte das Unglück wollen, daß diese gefährliche Zofenkammer mit der Wohnung deiner Frau durch eine Hintertreppe in Verbindung steht, so berate dich lange und gründlich mit deinem Baumeister; er möge alle Hilfsquellen seines Geistes erschöpfen, um dieser unheildrohenden Treppe die Unschuld der Urtreppe, nämlich der Müllerleiter, zurückzugeben; diese Treppe – wir bitten dich

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