Physiologie der Ehe (German Edition)
Kampf zwischen der Tugend und der Inkonsequenz beginnt, läuft die ganze Frage darauf hinaus, daß deine Frau fortwährend unwillkürliche Vergleiche zwischen dir und einem Liebhaber anstellt.
Auch hierin liegt für dich ein Verteidigungsmittel; es ist ein durchaus persönliches und wird von Ehemännern selten zur Anwendung gebracht, doch machen Männer von überlegenem Geist ohne Furcht einen Versuch damit. Es besteht darin, den Liebhaber auszustechen, ohne daß deine Frau etwas von deiner Absicht merken kann. Du mußt sie dahin bringen, daß sie eines Abends beim Anlegen der Haarwickel voll Verdruß zu sich selber sagt: »Aber an meinem Mann ist ja mehr dran als an ihm.«
Damit dir dies gelinge, hast du vor dem Liebhaber den bedeutenden Vorteil voraus, daß du den Charakter deiner Frau kennst und weißt, wodurch sie zu verletzen ist. Du mußt mit der ganzen Feinheit eines Diplomaten diesen Liebhaber, ohne daß er etwas davon merkt, Ungeschicklichkeiten begehen lassen, durch die er sich deiner Frau mißliebig macht. Nach Brauch und Herkommen wird dieser Liebhaber sich um deine Freundschaft bemühen, oder ihr werdet gemeinsame Freunde haben; du mußt ihm nun entweder durch diese Freunde oder durch ebenso geschickte wie perfide Insinuationen über Angelegenheiten, denen deine Frau Wichtigkeit beimißt, falsche Begriffe beibringen; und wenn du dich nur ein wenig geschickt benimmst, wirst du sehen, wie deine Frau ihrem Liebhaber den Laufpaß gibt, ohne daß weder sie noch er den wahren Grund davon erraten. Du dichtest damit innerhalb deiner vier Wände eine fünfaktige Komödie, in der du selbst die glänzenden Rollen Figaros oder Almavivas spielst; du wirst dich einige Monate lang ausgezeichnet dabei amüsieren, um so mehr, da deine Eigenliebe, deine Eitelkeit und dein persönliches Interesse lebhaft dabei in Frage kommen.
Ich hatte in meiner Jugend das Glück, einem alten Emigranten zu gefallen, der meiner Erziehung jenen letzten Schliff gab, den die jungen Leute gewöhnlich von den Frauen empfangen. Dieser Freund, dessen Andenken mir stets teuer sein wird, lehrte mich durch sein Beispiel die Anwendung jener diplomatischen Schachzüge, die ebenso viel Klugheit wie Anmut erfordern.
Der Graf von Nocé war von Koblenz nach Frankreich zurückgekehrt, als für Adelige der Aufenthalt dort sehr gefährlich war. Niemals war ein Mensch so mutig und so gütig, so verschlagen und so sorglos. Im Alter von etwa sechzig Jahren hatte er ein junges Mädchen von fünfundzwanzig geheiratet; zu dieser Torheit trieb ihn lediglich sein Mitleid: er entriß das arme Mädchen der Tyrannei einer launenhaften Mutter. »Wollen Sie meine Witwe sein?« hatte der liebenswürdige alte Herr zu Fräulein von Pontivy gesagt; aber seine Seele war zu liebebedürftig, und so hatte er sich inniger an seine Frau angeschlossen, als ein vernünftiger Mann es hätte tun dürfen. Da er während seiner Jugend bei einigen der geistreichsten Frauen vom Hofe Ludwigs des Fünfzehnten in die hohe Schule genommen war, so hegte er immerhin noch einige Hoffnung, die Gräfin vor jedem Straucheln bewahren zu können. Niemals habe ich einen Mann so geschickt wie ihn alle jene Lehren zur Ausführung bringen sehen, die ich den Ehemännern zu geben bemüht bin. Mit welchem Reiz wußte er durch seine angenehmen Manieren und seine geistreiche Unterhaltung das Leben zu umkleiden! Seine Frau erfuhr erst nach seinem Tode und durch mich, daß er die Gicht hatte. Seine Lippen troffen von Anmut, aus seinen Augen leuchtete reine Liebe. Vorsichtigerweise hatte er sich in die Abgeschiedenheit eines Tales, in eine Waldeinsamkeit zurückgezogen, und Gott weiß, was für Spaziergänge er mit seiner Frau machte! Sein glücklicher Stern wollte, daß Fräulein von Pontivy ein ausgezeichnetes Herz hatte und im hohen Grade jenes auserlesene Zartgefühl, jene schamhafte Empfindsamkeit besaß, die, wie ich glaube, das häßlichste Mädchen der Welt verschönen würden. Plötzlich kam einer seiner Neffen, ein hübscher Offizier, der der Katastrophe von Moskau entronnen war, auf Besuch zu seinem Onkel, teils um zu erfahren, ob er wohl künftige Neffen zu befürchten hätte, teils in der Hoffnung, einen lustigen Krieg mit der Tante zu führen. Seine schwarzen Haare, sein Schnurrbart, das gewandte Geplauder des Generalstabsoffiziers, eine gewisse ebenso elegante wie leichte ›disinvoltura‹, lebhafte Augen; dies alles unterschied den Neffen vom Onkel. Ich kam gerade in dem Augenblick an, wo
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