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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Ehemann wird niemals eine Parterrewohnung nehmen.
    Jeder Mann kann bei seiner Wohnung die Vorsichtsmaßregeln anbringen lassen, die wir dem Besitzer eines eigenen Hauses angeraten haben; und alsdann wird der Mieter vor dem Eigentümer den Vorteil voraus haben, daß eine Wohnung, die weniger Raum einnimmt, sich viel besser überwachen läßt.

Zollrevision
    »Aber nein, meine Gnädige, nein ...«
    »Denn, mein Herr, das wäre in einer Weise unschicklich ...«
    »Glauben Sie denn, gnädige Frau, wir verlangten eine Art Leibesdurchsuchung der Personen, die Ihre Gemächer betreten oder heimlich verlassen, um zu sehen, ob sie nicht irgendein Juwel bei Ihnen einschmuggeln wollen? Nun, das wäre allerdings nicht anständig; unserm Vorgehen dagegen, meine Gnädige, wird nichts Widerwärtiges anhaften, nichts Fiskalisches: beruhigen Sie sich!«
    »Mein Herr, von allen Hilfsmitteln dieses Ihres zweiten Teiles verlangt diese Ehezollprüfung von Ihnen vielleicht am meisten Takt, am meisten Klugheit und am meisten Kenntnisse, die a priori , das heißt vor der Heirat erworben sein müssen. Um sie in Anwendung bringen zu können, muß ein Ehemann durch ein tiefes Studium des Lavaterschen Buches in alle Grundsätze desselben eingedrungen sein, muß sein Auge und seinen Verstand daran gewöhnt haben, mit Blitzesschnelle die leichtesten physischen Anzeichen zu erfassen, durch die der Mensch seinen Gedanken verrät.«
    Lavaters Physiognomik hat eine wirkliche Wissenschaft geschaffen. Sie hat jetzt endlich einen Platz unter den menschlichen Kenntnissen eingenommen. Das erste Erscheinen dieses Buches rief allerdings einige Zweifel und manche scherzhaften Bemerkungen hervor; seitdem aber hat der berühmte Doktor Gall durch seine Schädellehre das System des Schweizers vervollständigt und dessen feinen und lichtvollen Bemerkungen wissenschaftliche Gründlichkeit verliehen. Geistvolle Menschen, Diplomaten, Frauen – alle jene, wenn auch nicht zahlreichen, so doch um so eifrigeren Jünger dieser beiden berühmten Männer – haben oft Gelegenheit gehabt, noch ganz andere augenfällige Zeichen zu beobachten, an denen man den Gedanken eines Menschen errät. Körperliche Angewohnheiten, die Handschrift, der Klang der Stimme, die Manier haben mehr als einmal die liebende Frau, den glattzüngigen Diplomaten, den tüchtigen Beamten oder den Herrscher eines Landes instand gesetzt, mit einem einzigen Blick Liebe, Verrat oder Tüchtigkeit zu erkennen. Der Mensch, dessen Seele in heftiger Erregung ist, gleicht dem armen Leuchtkäfer, der unwillkürlich durch alle seine Poren Licht entströmen läßt. Er bewegt sich in einer glänzenden Sphäre, in der jede Anstrengung eine Erschütterung der leuchtenden Luft hervorruft und in langen feurigen Zügen jede Bewegung abzeichnet.
    Dies sind nun alle Elemente der Kenntnisse, die du besitzen mußt, denn die Ehezollprüfung besteht einzig und allein in einem schnellen, aber tief eindringenden Überblick über das sittliche und körperliche Wesen aller Menschen, die in dein Haus kommen, um deine Frau zu besuchen, oder es verlassen, nachdem sie bei ihr gewesen sind. In dieser Hinsicht gleicht ein Ehemann einer Spinne, die, im Mittelpunkt ihres kaum wahrnehmbaren Netzes sitzend, von der geringsten Bewegung einer unbesonnenen kleinen Fliege einen Stoß empfängt und schon von weitem die Beute oder den Feind hört, sieht und beurteilt.
    Die Möglichkeit nun, den Junggesellen, der an deiner Tür klingelt, genau zu prüfen, bietet sich dir bei zwei scharf voneinander unterschiedenen Gelegenheiten: wenn er eintreten will und wenn er eingetreten ist.
    Wie viel sagt er schon im Augenblick vor dem Eintreten, ohne auch nur die Lippen zu öffnen! Nämlich:
    Mit einer leichten Handbewegung, oder indem er sich mehrere Male mit dem Finger durch die Haare fährt, streicht er sich die charakteristische Tolle glatt oder in die Höhe.
    Er summt eine lustige oder traurige, italienische oder französische Melodie mit einer Tenor-, Kontralto-, Sopran- oder Baritonstimme.
    Er vergewissert sich, ob der Zipfel seiner so bedeutungsvollen Krawatte immer noch anmutig sitzt.
    Er streicht das sauber gefaltete oder unordentliche Jabot eines Tag- oder Nachthemdes glatt.
    Er tastet mit einer verstohlenen Bewegung, ob seine blonde oder braune, gelockte oder glattgekämmte Perücke immer noch an ihrem richtigen Platze ist.
    Er sieht nach, ob seine Nägel sauber und gut beschnitten sind.
    Er streicht sich mit einer weißen oder ungepflegten

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