Physiologie der Ehe (German Edition)
die junge Gräfin ihrem Verwandten das Tricktrack zeigte. Das Sprichwort sagt, die Frauen lernen dieses Spiel nur von ihren Liebhabern und umgekehrt. Nun hatte Herrn von Nocé am selben Morgen während einer solchen Partie zwischen seiner Frau und dem Vicomte einer jener Blicke überrascht, die ein eigentümliches Gemenge von Unschuld, Furcht und Begierde enthalten. Am Abend schlug er uns einen Jagdausflug vor, den wir annahmen. Niemals sah ich ihn so gut aufgelegt und so lustig wie am nächsten Morgen, obwohl sich bereits die Anzeichen eines demnächstigen Gichtanfalles bemerkbar machten. Der Teufel selbst hätte nicht geschickter als er eine schlüpfrige Unterhaltung in Gang bringen können. Er war früherer Grauer Musketier und hatte Sophie Arnould gekannt. Das sagt alles. Die Unterhaltung unter uns dreien wurde bald im höchsten Grade ausgelassen; möge Gott sie mir verzeihen!
»Niemals hätte ich gedacht, daß mein Onkel ein so wackerer Degen wäre!« sagte der Neffe zu mir.
Wir machten eine Rast, und als wir alle drei auf dem Rasen einer der grünsten Lichtungen des Waldes saßen, hatte der Graf uns junge Leute so weit gebracht, daß wir über die Frauen Bemerkungen machten, wie nur ein Brantome und Aloysia.
»Ihr seid recht glücklich unter der jetzigen Regierung, ihr jungen Leute! Die Frauen haben Sitten!« – Um diesen Ausruf des alten Herrn so recht zu würdigen, müßte man die Greuel gehört haben, die der Kapitän erzählt hatte! – »Und«, fuhr der Graf fort, »dies ist eine der Segnungen, die wir der Revolution verdanken. Dadurch erhalten die Leidenschaften einen viel größern Reiz des Geheimnisvollen. Früher waren die Frauen leicht zu haben; nun, meine Herren, Sie können sich kaum vorstellen, wie viel Geist und Gewandtheit man aufbieten mußte, um alle diese abgenutzten Temperamente aufzustacheln: wir waren stets auf dem qui vive. Andererseits wurde aber auch einer berühmt durch eine geschickt vorgebrachte Zote oder durch eine glückliche Unverschämtheit. Die Weiber lieben so etwas, und dies wird stets das sicherste Mittel sein, es bei ihnen zu etwas zu bringen!« Diese letzten Worte sagte der Graf mit unterdrücktem Ärger. Plötzlich schwieg er und ließ den Hahn seines Gewehrs knacken, wie wenn er eine tiefe Erregung verbergen wollte.
»Ah bah!« sagte er, »meine Zeit ist vorüber! Die Phantasie muß jung sein ... und der Körper auch! Ach! Warum habe ich mich verheiratet! Und das Perfideste an den Mädchen, deren Mütter und Erzieherinnen während dieser Glanzzeit der Galanterie gelebt haben, ist das, daß sie eine unschuldige Miene zur Schau tragen, eine Zimperlichkeit ... es sieht aus, wie wenn der sanfteste Honig zu scharf für ihre zarten Lippen wäre, und wer sie kennt, der weiß, daß sie Salz als Leckerzeug essen würden!« Er stand auf, hob in einer Anwandlung von Wut sein Gewehr in die Höhe und stieß es auf die Erde, daß beinahe der ganze Kolben in dem feuchten Rasen verschwand.
»Wie es scheint, liebt die teure Tante die kleinen Scherze!« sagte der Offizier leise zu mir.
»Oder die Intrigen in beschleunigtem Tempo!« fügte ich hinzu.
Der Neffe zog seine Krawatte an, brachte seinen Kragen in Ordnung und hüpfte wie ein kalabrischer Ziegenbock. Gegen zwei Uhr nachmittags kamen wir nach Hause. Der Graf nahm mich bis zum Essen mit auf sein Zimmer unter dem Vorwande, einige Medaillen zu suchen, von denen er während unseres Heimweges mir erzählt hatte. Die Mahlzeit war trübselig. Die Gräfin behandelte ihren Neffen mit kalter Höflichkeit. Als wir in den Salon zurückgekehrt waren, sagte der Graf zu seiner Frau: »Ihr macht doch euer Tricktrack? Wir werden euch allein lassen.«
Die junge Gräfin antwortete nicht. Sie sah ins Kaminfeuer und schien seine Worte nicht gehört zu haben. Ihr Mann machte einige Schritte auf die Tür zu, indem er mich durch eine Handbewegung einlud, ihm zu folgen. Als sie seine Schritte hörte, wandte seine Frau mit einer lebhaften Bewegung den Kopf um und sagte:
»Warum wollen Sie uns verlassen? Sie haben wohl morgen vollkommen Zeit genug, dem Herrn Ihre Medaillen zu zeigen.«
Der Graf blieb.
Ohne die kaum merkliche Verlegenheit zu beachten, in der sein Neffe, der bisher so gewandte Offizier, sich zu befinden schien, entfaltete der Graf während des ganzen Abends den unaussprechlichen Zauber seiner Unterhaltung. Niemals hörte ich ihn so glänzend erzählen, niemals sah ich ihn mit so zärtlichen Aufmerksamkeiten um seine Gemahlin
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