Physiologie der Ehe (German Edition)
das Zusammenwohnen von Ehegatten Sitte geworden; und aus dieser Gewohnheit entstand das gleichzeitige Aufstehen und Zubettgehen zu bestimmten Stunden.
Und so wird die kapriziöseste Sache von der ganzen Welt, so wird das allerbeweglichste Gefühl, das nur durch seine prickelnden Inspirationen Wert erhält, dessen Zauber nur in der Plötzlichkeit der von ihm erregten Wünsche besteht, das nur durch die Wahrhaftigkeit seiner Kundgebungen gefällt – so wird, mit einem Wort, die Liebe nach einer Klosterordnung und nach den geometrischen Berechnungen einer Seewarte geregelt!
Wenn ich Vater wäre, würde ich ein Kind hassen, das pünktlich wie eine Uhr morgens und abends einen Gefühlsausbruch hätte und auf Befehl zu mir käme, um mir guten Morgen oder guten Abend zu wünschen: denn auf diese Weise erstickt man alles Großherzige und Augenblickliche in den menschlichen Gefühlen. Schließt aus diesem Beispiel darauf, was Liebe zur festgesetzten Stunde ist!
Nur der Urheber aller Dinge kann morgens und abends in einer immer herrlichen, immer neuen Pracht die Sonne aufgehen und untergehen lassen, und niemand hienieden – das wage ich Jean-Baptiste Rousseaus Hyperbel zum Trotz zu sagen – kann die Rolle der Sonne spielen.
Aus diesen vorläufigen Beobachtungen geht hervor, daß es nicht natürlich ist, wenn zwei Menschen sich unter einem Betthimmel befinden;
daß ein Mensch im Schlafe fast immer lächerlich ist;
daß endlich das beständige Zusammensein die Ehemänner unvermeidlichen Gefahren aussetzt.
Wir wollen also versuchen, unsere Gebräuche den Gesetzen der Natur anzupassen, und Natur und Brauch so zu vereinigen, daß ein Ehemann in dem Mahagoni seines Bettes ein brauchbares Hilfs- und Verteidigungsmittel findet.
1. Die beiden Zwillingsbetten
Wenn der glänzendste, schönste, geistreichste aller Ehemänner nach einer einjährigen Ehe minotaurisiert sein will, so wird ihm dies unfehlbar gelingen, wenn er so unvorsichtig ist, zwei Betten unter der wollüstigen Wölbung eines und desselben Alkovens zu vereinigen.
Das Urteil lautet kurz und bündig; die Begründung desselben ist folgende:
Der erste Ehemann, dem die Erfindung der Zwillingsbetten zuzuschreiben ist, war ohne Zweifel ein Geburtshelfer, der aus Angst, er könnte während seines Schlafes unwillkürlich unruhige Bewegungen machen, das von seiner Frau unter dem Herzen getragene Kind vor den Fußtritten schützen wollte, die er ihm hätte geben können.
Oder nein – es war wohl eher irgendein Prädestinierter, der irgendeinen Katarrh befürchtete oder sich selber mißtraute.
Vielleicht war es auch ein junger Mann, der das Übermaß seiner eigenen Zärtlichkeit befürchtete, und daher stets entweder dicht am Rande des Bettes, so daß er in Gefahr war, herauszufallen, oder nahe bei seiner entzückenden Gemahlin lag, deren Schlummer er auf diese Art störte.
Oder sollte es nicht irgendeine Maintenon gewesen sein, die diese Einrichtung mit Hilfe ihres Beichtvaters durchsetzte? oder etwa eine ehrgeizige Frau, die ihren Gatten beherrschen wollte? oder, was allerdings gewiß noch wahrscheinlicher ist, irgendeine hübsche kleine Pompadour, die an jenem kleinen Pariser Übel litt, worüber Herr de Maurepas jenen scherzhaften Vierzeiler machte, der ihm seine so lange dauernde Ungnade eintrug und ganz gewiß zu den unglücklichen Ereignissen der Regierung Ludwigs des Sechzehnten viel beitrug:
Iris, on aime vos appas
Vos grâces tont vives et franches
Et les fleurs naissent sur vos pas –
Mais ce ne sont que des fleurs ... blanches ...
Endlich, warum sollte dieser Erfinder nicht ein Philosoph gewesen sein, den die unvermeidliche Ernüchterung erschreckte, die eine Frau beim Anblick eines schlafenden Mannes empfinden muß? Und dieser Philosoph wird ein Mann gewesen sein, der sich stets in seine Decke eingewickelt und keine Nachtmütze getragen hat.
Unbekannter Erfinder dieser jesuitischen Methode – wer du auch seist, im Namen des Teufels, Heil dir und Brudergruß! Du hast an so manchem Unglück schuld. Dein Werk trägt den Charakter aller halben Maßregeln; es liefert in keiner Weise befriedigende Resultate, und es haften ihm die Unannehmlichkeiten der beiden andern Methoden an, ohne daß es deren Vorzüge bietet.
Was für ein Mensch ist der Mensch des neunzehnten Jahrhunderts! Ein Wesen von höchster und überlegenster Intelligenz, hat er eine übernatürliche Macht entfaltet, hat er alle Hilfsquellen seines Geistes aufgeboten, um das Triebwerk seines
Weitere Kostenlose Bücher