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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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derartig benahm, daß er für immer die Achtung seiner Frau verlor. Zu jener Zeit aber konnte eine Frau sich mit wunderbarer Leichtigkeit rächen, denn es war nicht weit vom Kelchesrand zur Lippe. Die beiden Eheleute schliefen in zwei getrennten Betten, die aber unter dem Himmel eines und desselben Alkovens vereinigt waren. Sie kamen von einem sehr glänzenden Ball zurück, den der kaiserliche Gesandte, Graf von Mercy, gegeben hatte. Der Mann hatte eine ziemlich große Summe im Spiel verloren und war daher völlig von seinen Gedanken in Anspruch genommen. Am nächsten Tage waren sechstausend Taler zu bezahlen! und – du erinnerst dich wohl, Nocé? – man hätte zuweilen keine hundert Taler gefunden, wenn man das bare Vermögen von zehn Musketieren zusammengeschüttet hätte ... Die junge Frau – das bleibt ja in solchen Fällen niemals aus – war von einer Heiterkeit, die den Gatten zur Verzweiflung bringen konnte. ›Geben Sie dem Herrn Marquis‹, sagte sie dem Kammerdiener, ›alles, was er für seine Toilette braucht.‹ Zu jener Zeit kleidete man sich für die Nacht an. Diese ziemlich merkwürdigen Worte vermochten meinen Ehemann nicht ans seiner Betäubung zu reißen. Da beginnt die Gnädige, der ihre Kammerfrau beim Umkleiden hilft, tausend Koketterien zu machen: ›War ich heute abend nach Ihrem Geschmack?‹ fragt sie. – ›Sie gefallen mir immer!‹ antwortet der Marquis und geht weiter im Zimmer auf und ab. – ›Sie sind recht düster! Sprechen Sie doch zu mir, Herr Dunkelschön!‹ sagt sie, indem sie sich im verführerischsten Nachtkleide vor ihn hinstellt ... Aber Sie werden sich niemals einen Begriff machen, was für Hexenkünste die Marquise anstellte; Sie müßten sie gekannt haben. Du, Nocé, hast die Frau gesehen!« rief er dazwischen mit einem ziemlich spöttischen Lächeln. – »Kurz und gut, trotz all ihrer Feinheit und all ihrer Schönheit scheiterten alle ihre Listen an den sechstausend Talern, die der Dummkopf von Mann nicht aus seinem Kopf loswerden konnte; sie legte sich schließlich allein zu Bett. Aber die Frauen haben stets einen hübschen Vorrat von Listen; und im Augenblick, wo mein guter Mann Miene macht, sich ebenfalls zu Bett zu legen, ruft die Marquise: ›Oh! Wie ist mir kalt!‹ – ›Mir auch!‹ erwidert er; ›aber warum legen unsere Leute denn auch keine Wärmpfannen in unsere Betten?‹ Und damit klingelt er ...«
    Unwillkürlich lachte Graf von Nocé laut heraus, und der alte Marquis schwieg ganz sprachlos still.
    Daß man die Wünsche einer Frau nicht errät, daß man schnarcht, wenn sie wacht, daß man in Sibirien ist, wenn sie sich unter den Tropen befindet – das sind noch die geringsten Unzuträglichkeiten der Zwillingsbetten. Was wird eine leidenschaftliche Frau nicht alles wagen, wenn sie einmal gemerkt hat, daß ihr Mann einen festen Schlaf hat?
    Ich verdanke Beyle eine italienische Anekdote, der seine trockene und sarkastische Vortragsweise einen unendlichen Reiz verlieh, als er sie mir als ein Beispiel weiblicher Kühnheit erzählte.
    Ludovico hat seinen Palast an dem einen Ende von Mailand; am andern Ende der Stadt liegt der Palast der Gräfin Pernetti. Um Mitternacht dringt Ludovico, entschlossen, alles zu wagen, um eine Sekunde lang ein angebetetes Gesicht zu sehen, mit Lebensgefahr in den Palast seiner Liebsten ein. Es gelingt ihm wie durch Zauberkunst. Er kommt vor das eheliche Schlafgemach. Elisa Pernetti, deren Herz vielleicht den Wunsch ihres Geliebten geteilt hat, hört das Geräusch seiner Schritte und erkennt ihn am Gang. Sie sieht durch die Wände hindurch ein von Liebe entflammtes Gesicht. Sie erhebt sich vom Ehebett. Leicht wie ein Schatten eilt sie an die Schwelle der Tür, umfängt mit einem Blick Ludovico vom Kopf bis zu den Füßen, ergreift seine Hand, winkt ihm und zieht ihn mit sich fort.
    »Aber er wird dich töten!« sagt er.
    »Vielleicht.« – –
    Aber dies alles ist noch gar nichts. Wir wollen zugeben, daß viele Ehemänner einen leichten Schlaf haben. Wir wollen ihnen zugeben, daß sie ohne zu schnarchen schlafen und daß sie stets erraten, unter welchem Breitengrad ihre Frau sich gerade befindet! Noch mehr, alle zur Verurteilung der Zwillingsbetten von uns angeführten Gründe fallen, wenn man will, nicht schwer ins Gewicht. Indessen es bleibt noch eine letzte Erwägung übrig, die unbedingt gegen den Gebrauch von zwei Betten in einem und demselben Alkoven sprechen muß:
    In der Lage, in der ein Ehemann sich befindet, haben

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