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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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zu schlafen, hätte nicht einmal auf Mitleid Anspruch, da er sich sein Unglück selber ins Haus gerufen haben würde.
    Fassen wir also das bisher Gesagte noch einmal zusammen:
    Nicht alle Männer sind imstande, das Wagnis zu unternehmen und in einem Zimmer zu schlafen, das von dem Zimmer ihrer Frau getrennt ist; dagegen können alle Männer sich einigermaßen mit den Schwierigkeiten abfinden, die mit der Benutzung eines einzigen Bettes verbunden sind.
    Wir wollen uns also damit beschäftigen, die Schwierigkeiten zu lösen, welche oberflächliche Geister auch an diesem letztern Verfahren zu bemerken glauben könnten. Wir selber hegen für dieses eine ausgesprochene Vorliebe.
    Möge aber dieser Abschnitt, wenn er auch gewissermaßen stumm ist und von uns in dieser Form den Auslegungen mehr als eines Ehepaares überlassen wird, als Piedestal für die erhabene Gestalt Lykurgs dienen, dem von allen Gesetzgebern des Altertums die Griechen die tiefsten Gedanken über die Ehe verdankten. Möchte sein System von den künftigen Geschlechtern verstanden werden können! Und wenn die Sitten der Neuzeit zu sehr verweichlicht sind, als daß das ganze System angenommen werden könnte – möchten sie doch wenigstens von dem kräftigen Geist dieser bewunderungswürdigen Gesetzgebung sich durchdringen lassen!
3. Ein und dasselbe Bett
    In einer Dezembernacht betrachtete der Große Friedrich den Himmel, dessen Sterne jenes lebhafte und reine Licht ausstrahlten, das auf einen harten Frost hindeutet, und rief: »Dies Wetter wird Preußen viele Soldaten verschaffen!«
    In diesem einzigen Satze brachte der König den Hauptübelstand zum Ausdruck, der mit dem beständigen Zusammenschlafen von Eheleuten verbunden ist. Ein Napoleon und ein Friedrich mögen vor einer Frau eine höhere oder geringere Achtung haben, je nach der Zahl ihrer Kinder; aber ein begabter Ehemann muß nach den in der Betrachtung über die persönlichen Mittel aufgestellten Grundsätzen die Erzeugung eines Kindes nur als ein Verteidigungsmittel betrachten, und es ist seine Sache, zu wissen, wann es notwendig ist, ein solches hervorzubringen.
    Diese Beobachtung führt uns zu Mysterien, auf die die physiologische Muse sich nicht einlassen darf. Sie ist allerdings bereit gewesen, eheliche Schlafzimmer zu betreten, solange diese unbewohnt waren; aber als spröde Jungfrau errötet sie beim Anblick von Liebesspielen.
    Da nun an dieser Stelle des Buches diese Muse ihre weißen Hände vor die Augen hält, und zwar nicht etwa, um wie ein junges Mädchen durch die Fingerspalten hindurchzulugen, so wird sie diese Anwandlung von Schamhaftigkeit benutzen, um unsern Sitten einen ernsten Tadel auszusprechen.
    In England ist das eheliche Schlafgemach ein geheiligter Ort. Nur die beiden Gatten haben das Vorrecht, es zu betreten; es gibt sogar, wie man sagt, mehr als eine Lady, die sich ihr Bett selbst macht. Wie kommt es, daß von allen Manieren, die jenseits des Kanals im Schwange sind, wir gerade die einzige abgelehnt haben, deren geheimnisvolle Anmut allen zarten Seelen des europäischen Festlandes hätte gefallen müssen? Zartfühlende Frauen verdammen die Schamlosigkeit, womit man in Frankreich fremden Menschen Zutritt in das Allerheiligste der Ehe gestattet. Unsere Meinung darüber kann nicht zweifelhaft sein; wir haben uns ja schon mit allem Nachdruck gegen die Frauen ausgesprochen, die mit ihrer Schwangerschaft Staat machen. Wenn wir verlangen, daß der Junggesellenstand Respekt vor dem Ehestand haben soll, so müssen auch die verheirateten Leute Rücksichten auf die leichte Entzündlichkeit der Junggesellen nehmen.
    Alle Nächte bei seiner Frau zu schlafen, kann allerdings – dies müssen wir zugeben – als eine höchst anmaßende Geckenhaftigkeit gelten.
    Viele Ehemänner werden sich fragen, wie jemand, der den Anspruch erhebt, die Ehe vervollkommnen zu wollen, es wagen kann, einem Ehemann eine Lebensweise vorzuschreiben, durch die ein Liebhaber sich zugrunde richten würde.
    Indessen – so lautet die Entscheidung des Doktors der ehelichen Künste und Wissenschaften:
    Zunächst ist für einen Ehemann – falls er nicht etwa jede Nacht außer dem Hause schläft – dieser Entschluß der einzige, der ihm übrigbleibt, da wir die Gefahren der beiden vorhergehenden Systeme nachgewiesen haben. Wir müssen also ferner den Beweis zu führen versuchen, daß diese dritte Art der Schlafzimmereinrichtung mehr Vorteile und weniger Unannehmlichkeiten bietet, als es hinsichtlich der beiden

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