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Picknick auf dem Eis (German Edition)

Picknick auf dem Eis (German Edition)

Titel: Picknick auf dem Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Veranda auf, knipste die Lampe an, deren gelbes Licht den Schnee vor dem Haus und das Auto beleuchtete. Sonja wachte auf und rieb sich die Augen. Sie drehte sich zum Pinguin um, den sie die ganze Fahrt lang mit ihrem rechten Arm umschlungen gehalten hatte. Der war ganz ruhig. Als er spürte, daß das Mädchen aufgewacht war, drehte er sich auch zu ihr um, und ihre Blicke begegneten sich.
    Bald darauf saßen alle im kalten Zimmer vor der Nische des erloschenen kalten Kamins und nur die kleine Lampe an der Decke gab ihnen mit ihrem warmen Licht die Illusion von Gemütlichkeit.
    Sergej schleppte Holz heran, stapelte es im Kamin übereinander und schob eine brennende Zeitung unter den Holzstoß.
    Mit den langsam anbrennenden Holzscheiten wurde es allmählich wärmer.
    Der Pinguin, der sich zunächst in die hinterste Ecke des Zimmers verkrochen hatte, lebte plötzlich auf und kam zum Kamin.
    »Onkel Witja, und wann stellen wir den Tannenbaum auf?« fragte Sonja gähnend.
    »Morgen früh«, sagte Viktor.
    In dem kleinen Zimmer standen gegenüber dem Kamin ein Sofa und ein Sessel, und an der linken Wand ein Bett.
    Sie legten Sonja auf das Sofa, rückten es ganz nah an den Kamin und deckten sie mit zwei Decken zu. Bald war sie eingeschlafen, und Viktor, Sergej und Mischa-Pinguin wachten am prasselnden Kamin. Sergej legte Holz nach. Es war ganz still, nur von Zeit zu Zeit zischten die Holzscheite, aus denen das Feuer die Nässe heraustrieb.
    Viktor saß auf dem Sofarand, Sergej auf dem Sessel, nur der Pinguin stand daneben, die Natur hatte bequemes Sitzen für ihn nicht vorgesehen.
    »Ich fahre morgen zur Arbeit«, erklärte Sergej. »Dann kaufe ich Sekt und Fleisch und komme zurück.«
    Viktor nickte.
    »Hier ist es so still«, sagte er verträumt. »In dieser Stille könnte man schreiben…«
    »Niemand hindert dich daran«, meinte Sergej freundlich.
    »Das Leben hindert mich« , sagte Viktor nach einer Weile.
    »Du hast es dir selber schwergemacht… Komm, gehen wir auf die Veranda eine rauchen.«
    Obwohl Viktor nicht rauchte, ging er mit Sergej mit. Nach der schon leicht erwärmten Luft im Zimmer erschien ihnen die Veranda wie ein Eisschrank, aber die Kälte machte munter.
    »Hör mal«, sagte Sergej, eine Rauchwolke zur niedrigen Decke pustend. »Wenn du schon in so eine Geschichte verwickelt bist, weshalb schleppst du das Mädchen mit?«
    »Ihr Vater ist anscheinend in einer ähnlichen Lage… Ich weiß nicht, wo er ist… Was soll ich da tun?«
    Sergej zuckte mit den Schultern. »Oh, wir sind nicht allein!« sagte er nach kurzem und sah aus dem Fenster. Gegenüber waren zwei Fenster erleuchtet.
    »Möchtest du einen selbstgebrannten Kirsch?« fragte Sergej plötzlich.
    »Ja gerne!« stimmte Viktor zu.
    Sie gingen in die enge kalte Küche, in der nur ein kleiner Tisch mit zwei Hockern und eine elektrische Kochplatte standen. Sergej hob eine Bohle des Holzfußbodens hoch und drückte Viktor eine Taschenlampe in die Hand.
    »Leuchte hier runter!« kommandierte er, und Viktor leuchtete gehorsam in das Kellerloch.
    Sergej kletterte im Lichtschein nach unten. Von dort reichte er zwei alte Sektflaschen hoch, die mit Gummipfropfen verschlossen waren, und kam wieder hochgeklettert.
    Sie setzten sich gleich in die Küche, gossen sich den Kirschschnaps in geschliffene Gläschen und horchten in die Stille. Sie hatten es nicht eilig zu trinken.
    Sergej ging ins Zimmer, um Holz nachzulegen.
    Als er zurückkam, fragte Viktor: »Schläft Sonja?«
    »Ja.«
    »Und der Pinguin?«
    »Paßt auf das Feuer auf…« lachte Sergej.
    »Na dann, auf das Neue Jahr?« schlug er vor.
    Viktor seufzte und nahm sein Glas in die Hand. Auch das Glas war kalt.
    »Weißt du«, fuhr Sergej fort. »Ich hatte einen Freund, der war Fleischer. Er sagte immer: ›Laß uns trinken, auf daß es uns nicht schlechter gehe. Besser ging’s uns ja schon mal.‹«
    35
     
    Am Morgen fuhr Sergej in die Stadt. Viktor lief zur Wasserleitung, die bei zwei Grundstücken über dem Boden verlegt war, holte einen Eimer Wasser, stellte den Teekessel auf die Kochplatte in der Küche und sah ins Zimmer. Das Feuer im Kamin war in der Nacht erloschen, aber es war noch warm und roch nach Kiefernholz. Sonja lächelte im Schlaf, der Pinguin stand regungslos da und starrte leicht verwirrt auf die schwarze Asche im Kamin.
    Viktor klopfte sich auf den Schenkel, um Mischas Aufmerksamkeit zu erregen. Der Pinguin drehte sich um, sah sein Herrchen an. Der ging zur Tür, machte sie auf und

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