Picknick auf dem Eis (German Edition)
von hinten an die Beine stupste und trat abrupt einen Schritt nach vorne, weil er glaubte, daß der Hund zurückwar, nachdem er sein zukünftiges Frühstück in ein sicheres Versteck gebracht hatte. Viktor drehte sich um und sah den Pinguin vor sich.
»Wie bist du denn hierhergekommen?« Viktor hockte sich hin. »Ich habe gedacht, du schläfst…«
»Was ist denn das?« fragte der Mann im Tarnanzug, auf Viktor zugehend. »Ein Pinguin? Ach du grüne Neune! Tatsache, ein Pinguin!«
»Scharf!« lachte der Bursche im Trainingsanzug. »Das ist echt scharf!«
Nach einer Minute hatten alle den im Schnee liegenden Körper vergessen und sich um den Pinguin geschart.
»Ist der zahm?« fragte der Bärtige in der Daunenjacke.
»Nicht richtig«, antwortete Viktor.
»Und wie heißt er?« fragte der Wächter.
»Mischa.«
»Ah! Mischa, Mischalein…«, krächzte der Wächter freundlich.
Dann wandte er sich an die übrigen.
»Gut, geht nach Hause. Ich werde ihn allein unter dem Schnee begraben… wenn dabei ein Fläschchen rausspringt…«
»Klar, na klar« , versprach ihm der Bärtige. »Komm morgen früh, dann zischen wir einen!«
Viktor, Sergej und der Pinguin kehrten auf dem Grenzpfad zwischen den zwei Grundstücken zurück.
»Sind hier alle Häuschen vermint?« fragte Viktor unterwegs.
»Nein«, antwortete Sergej. »Nicht alle. Ich zum Beispiel habe eine humanere Falle.«
»Was für eine?«
»Eine Schiffssirene. Wenn die anfängt zu heulen, wachen alle Dörfer der Umgebung auf.«
Der Schnee knirschte unter ihren Füßen. Der Himmel war klar und hoch, übersät von kalten Sternen. Nur der Mond war nirgendwo zu sehen. Wahrscheinlich schien die Nacht deshalb noch finsterer als gewöhnlich. Die Nacht war ihres Lichts beraubt.
»Da wären wir wieder.« Sergej blieb auf der Schwelle stehen und sah sich nach dem ihm folgenden Viktor und dem Pinguin um. »Oh! Ihr habt schon den Tannenbaum geschmückt!« rief er verwundert aus. »Den habe ich gar nicht gesehen, als ich gekommen bin… Toll!«
Die Verandatür knarrte, dann herrschte wieder völlige Stille auf dem Gelände.
Im Zimmer war es warm. In der Kaminnische schimmerte rotglühende Asche. Sonja lächelte im Schlaf.
Viktor und Sergej hatten noch keine Lust, schlafen zu gehen, und so schlossen sie sich wieder in der Küche ein.
36
Am Morgen begannen Sergej und Viktor mit den Vorbereitungen für den Feiertag. Als erstes holten sie den alten, auf dem Boden versteckten Fernseher herunter. Sie trugen ihn ins Zimmer und stellten die Programme ein. Glücklicherweise gab es gerade Zeichentrickfilme, und Sonja machte es sich gleich im Sessel vor dem Fernseher bequem.
Sergej und Viktor ›angelten‹ aus dem Keller ein Dreiliterglas, in dem freundschaftlich nebeneinander marinierte Gurken, Tomaten und Paprika lagen, und holten noch zwei Flaschen Kirsch und ein paar Kilo Kartoffeln nach oben.
»Ja, jetzt müssen wir noch das Fleisch fertig machen und Holz für das Neujahrsgrillfeuer vorbereiten«, sagte Sergej, sich zufrieden die Hände reibend.
Die Zeit verging an diesem letzten Tag des Jahres außerordentlich langsam. Man hatte den Eindruck, das alte Jahr hatte es nicht im geringsten eilig.
Als das Fleisch in Stücke geschnitten und mariniert, das Holz gespalten und zu einem schönen kleinen Stoß nicht weit entfernt vom Tannenbaum aufgestapelt war und sie noch einige andere kleinere Dinge erledigt hatten, war es gerade erst Mittag.
Auf dem Hof war es sonnig und kalt. Der Pinguin stand regungslos auf der Schwelle des Hauses und beobachtete interessiert einige Gimpel, die im Schnee herumstreunten.
»Wie wäre es mit einem Gläschen?« fragte Sergej Viktor.
Sie setzten sich an den Küchentisch und gossen sich Kirsch in die Gläser.
»Auf daß die Zeit schneller vergeht«, Sergej hob sein Glas und hielt es Viktor entgegen.
Der Trinkspruch half, die Zeit verging schneller. Nach dem Mittagessen legten sich alle außer dem Pinguin ein bißchen hin, und selbst Sonja protestierte nicht, als Sergej den Fernseher ausmachte und eine ›Ruhestunde‹ verkündete.
Als sie aufwachten, war es draußen schon dunkel, und die Uhr zeigte auf halb sechs.
»Das haben wir gut hingekriegt!« Sergej trat raus auf die Schwelle. Er sah ein wenig verquollen aus, rieb sich zur Erfrischung das Gesicht mit Schnee ab und wurde krebsrot.
Viktor rieb sich ebenfalls, um munter zu werden, die Wangen mit Schnee ab.
Sonja kam auf den Hof und beobachtete verwundert die beiden großen
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