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Picknick auf dem Eis (German Edition)

Picknick auf dem Eis (German Edition)

Titel: Picknick auf dem Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Viktor dachte beim Öffnen, daß wohl Nina und Sonja zurückkämen. Aber es war Igor Lwowitsch. Er schlug die Tür hinter sich zu und ging in den Flur, zog den Mantel aus und begab sich, ohne die Schuhe auszuziehen, in die Küche.
    Viktor bemerkte, daß der Chef außer sich war, bleich, mit dicken Tränensäcken unter den Augen.
    »Mach mir einen Kaffee!« bat er, als er sich auf Viktors Lieblingsplatz setzte.
    Viktor nahm den Kaffeetopf und gemahlenen Kaffee. Er betrachtete den Chef. Dieser schien zu zittern, und dieses Zittern übertrug sich für einen Moment auf ihn. Er sah auf seine Hände. Er schaltete den Herd ein, schüttete Kaffee in den Kaffeetopf, goß Wasser darauf und stellte ihn aufs Gas.
    »Nichts, nichts…«, flüsterte der Chef gedankenverloren.
    »Ist was passiert?« fragte Viktor.
    »Ja…«, sagte Igor Lwowitsch, ohne Viktor anzusehen. »Es ist was passiert… Gleich… ich muß mich nur etwas aufwärmen…«
    Wieder herrschte Stille in der Küche. Viktor stand am Herd und paßte auf den Kaffee auf. Als der Schaum hochstieg, nahm er den Kaffeetopf vom Herd, stellte ihn auf die Seite und goß den Kaffee in Tassen.
    Der Chef umfaßte mit beiden Händen die heiße Tasse und sah Viktor an.
    »Danke«, sagte er.
    Viktor setzte sich auch.
    »Weißt du, am besten erzähle ich dir gar nichts«, sagte Igor Lwowitsch plötzlich. »Wozu auch? Weißt du noch, wie du dich für ein paar Tage verstecken mußtest?«
    Viktor nickte.
    »Nun ja«, der Chef lächelte bitter. »Jetzt ist die Reihe an mir… Es sind nur ein paar Tage, bis die Jungs den Weg wieder frei haben… Und dann wieder an die Arbeit…«
    »Ich habe die Militärs fertig«, sagte Viktor. »Da, die Texte liegen auf dem Fensterbrett.«
    Igor Lwowitsch winkte ab. Ihm war nicht nach Nekrologen.
    Als er den Kaffee ausgetrunken hatte, rauchte er. Er sah sich nach einem Aschenbecher um, und als er keinen fand, streifte er die Asche direkt auf dem Tisch ab. Tief in Gedanken versunken saß er etwa fünf Minuten lang regungslos da.
    »Weißt du, es ist hart, wenn dir die eigenen Leute ein Bein stellen…«, seufzte er. »Sehr hart… Hast du jetzt zu tun?«
    »Nein.«
    »Tu ein gutes Werk«, der Chef sah Viktor fest in die Augen, »fahr in die Redaktion… Ich rufe die Sekretärin an, daß sie dir mein Arbeitszimmer aufschließt. Du holst aus dem Safe eine braune Mappe und bringst sie hierher… Den Schlüssel zum Safe gebe ich dir. Wenn du bemerkst, daß dir jemand folgt, wirfst du den Schlüssel unauffällig weg und gehst bis zum Abend in der Stadt spazieren…«
    Viktor wurde es himmelangst. Er trank einen Schluck Kaffee, sah den Chef wieder an und begegnete dessen steinhartem Blick. Dieser Blick riß ihn abrupt aus seinen Gedanken und zog einen Schlußstrich unter alle möglichen Zweifel.
    »Wann muß ich fahren?« fragte Viktor, als wäre er zum Tode verurteilt.
    »Sofort.«
    Igor Lwowitsch zog seine Brieftasche heraus, nahm einen Schlüssel und gab ihn Viktor, der gerade aufstehen wollte.
    »Warte, erst rufe ich an«, hielt der Chef ihn zurück.
    Er ging wieder ins Wohnzimmer, kam bald danach zurück.
    »Du kannst fahren.«
    Auf der Straße war es trotz des Tauwetters frostig. Vielleicht spürte aber nur Viktor diese Kälte, als er ohne jede Eile zur Bushaltestelle ging. Jetzt hatte er keine Angst mehr, aber ihm war von Kopf bis Fuß kalt.
    Nach einer Stunde betrat er das Redaktionsgebäude. Nachdem er dreimal seinen Presseausweis den diensthabenden Milizen hatte vorzeigen müssen, gelangte er schließlich ins Vorzimmer des Chefs. Die bleiche Sekretärin nickte ihm zu und öffnete wortlos das Büro ihres Vorgesetzten. Viktor ging hinein, schloß die Tür hinter sich und spürte, wie ihm ein Schauder über den ganzen Körper lief. Ihn packte plötzlich eine schreckliche Angst, und ihm fiel ein, daß er sich auf dem Weg hierher nicht ein einziges Mal vergewissert hatte, daß ihm niemand folgte.
    Um das Zittern zu überwinden, setzte er sich auf den Stuhl des Chefs an den Schreibtisch. Links von ihm stand der Safe. Er nahm den Schlüssel in die Hand, ließ einige Minuten verstreichen, öffnete den Safe, entdeckte im unteren Fach sofort die braune Mappe, zog sie heraus und legte sie vor sich auf den Tisch. Wieder ließ ein Schaudern seinen Atem stocken. Er hatte Angst aufzustehen, wollte dieses Zimmer nicht verlassen, als wüßte er genau, daß hinter den Wänden des Büros Gefahr auf ihn lauerte… Er wollte Zeit gewinnen, und so kehrte er zum Safe

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