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Picknick auf dem Eis (German Edition)

Picknick auf dem Eis (German Edition)

Titel: Picknick auf dem Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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dem Fahrer, wohin er ihn bringen sollte. Wie ein Expreßversand. Erst gegen ein Uhr kam Viktor in seine Wohnung und begegnete auf dem Flur dem Pinguin.
    »Schläfst du noch nicht?« fragte er Mischa und lächelte betrunken. »Du mußt schlafen. Was, wenn wir morgen früh wieder auf den Friedhof müssen?«
    Aber eine ganze Woche verging, Viktor hämmerte seine Texte in die Maschine und freute sich am Frühling und an der Sonne. Selbst das Leben schien ihm leicht und sorglos, ungeachtet der schwierigen Momente. Nur selten dachte er noch an seine eventuelle Mitwirkung bei irgendwelchen dunklen Geschichten. Was gibt es nicht alles auf der Welt? Es war lediglich ein kleiner Teil des unbekannten Bösen, das um ihn herum existierte, aber es betraf ihn und seine kleine Welt nicht persönlich. Und offensichtlich war die Unwissenheit über seinen eigenen Anteil an diesen dunklen Geschäften die Garantie für seine Ruhe, die Garantie dafür, daß seine Welt nicht angerührt wurde.
    Er wandte sich wieder zum Fenster und hielt sein Gesicht in die Sonne.
    ›Vielleicht sollten wir wirklich ein Häuschen kaufen, um im Sommer im Garten am Tisch sitzen zu können und an der frischen Luft zu schreiben?‹ dachte er. »Und Sonja kann sich mit den Beeten beschäftigen, sicher wird es ihr gefallen, was zu pflanzen. Nina würde zufrieden sein…‹
    Er erinnerte sich an den Neujahrstag auf der Datscha mit Sergej, an das Feuer im Kamin, um den sie alle herumsaßen. Wie lange war das alles her! Dabei war gar nicht so viel Zeit vergangen, und trotzdem – wie lange war das alles her!
    62
     
    Auch am Sonntag schien die Sonne. Morgens war der Himmel noch von einer dünnen Wolkenschicht bedeckt, aber die löste sich gegen elf Uhr auf, und der Himmel zeigte der Erde sein schönstes Blau.
    Nach dem Frühstück fuhren Viktor, Nina und Sonja zum Kreschtschatik-Platz. Den Pinguin ließen sie auf dem Balkon und stellten ihm auch seine Schüssel mit dem Mittagessen dorthin. Aber die Balkontür war nur leicht angelehnt, so daß er, wenn er wollte, ins Zimmer zurückkonnte.
    Als erstes führte Viktor Nina und Sonja in die Fußgängerzone. Dort setzten sie sich auf die Terrasse eines Cafés. Viktor bestellte für Sonja und Nina ein Eis, für sich selber einen Kaffee.
    Sonja hatte sich selber einen Platz am Tisch in der Sonne ausgewählt, und jetzt blinzelte sie, lachte und hielt sich die Augen mit den Händen zu. Sie spielte mit den Sonnenstrahlen, und Nina sah ihr lächelnd zu.
    Viktor trank einen Schluck Kaffee und entdeckte, als er sich umsah, einen offenen Zeitungskiosk.
    »Ich bin gleich zurück!« sagte er und stand auf.
    Er kehrte mit den vertrauten ›Hauptstadtnachrichten‹ zurück. Zunächst überflog er die Schlagzeilen, und da er zu seiner Freude nichts Bedrohliches, kein einziges ›Kreuzchen‹ fand, wandte er sich beruhigt der ersten Seite zu. Er nippte am Kaffee.
    Es schien ihm beruhigend, daß an einem so schönen Frühlingstag die Zeitungsnachrichten ebenfalls erstaunlich friedlich waren. Keine Schießerei, keine Skandale. Im Gegenteil, die Zeitung schien die Leser geradezu aufzufordern, sich des Lebens zu freuen. »Neuer Supermarkt eröffnet«, »Fortschritte bei den Gesprächen mit Rußland«, »Ohne Visum nach Italien«. Die Schlagzeilen verströmten Freude und Hoffnung.
    »Möchtest du nach Italien?« fragte Viktor Sonja.
    Sonja leckte ihren Löffel ab und schüttelte den Kopf.
    »Wohin möchtest du denn?« fragte Nina das Mädchen.
    »Auf die Schaukel«, antwortete es.
    Nina wischte mit einer Serviette die Eisreste von Sonjas Mund.
    Sie gingen im Park am Dnjepr entlang, bis sie zu einem Kinderspielplatz kamen.
    Dort setzten sie Sonja auf die Schaukel, stießen sie beide an, und das Mädchen flog lachend durch die Luft.
    »Genug! Genug!« schrie sie nach ein paar Minuten.
    Und wieder spazierten sie zu dritt durch den Park, Sonja in der Mitte, und Viktor und Nina hielten sie an den Händen.
    »Nina«, sagte Viktor im Gehen. »Ich glaube, wir kaufen ein Häuschen im Grünen!«
    Nina lächelte. Sie überlegte.
    »Das wäre schön«, sagte sie nach einer Minute, in der sie sich offensichtlich ein Häuschen im Grünen vorgestellt hatte, das ihr gefallen würde.
    Zum Mittagessen kehrten sie nach Hause zurück.
    Sonja ging zu Mischa auf den Balkon. Nina und Viktor setzten sich vor den Fernseher.
    Es gab die ukrainische Version des ›Reiseklubs‹. Ein hübsches blondes Mädchen stand in einem hellgelben Badeanzug an Deck eines Dampfers

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