Picknick mit Bären
Stephen. Wir wissen doch gar nicht, was es für Lebensmittel in Monson gibt.«
»Ach so.« Er sah mich erschrocken und reumütig an. »Ich fand, es war einfach zu viel für drei Tage.«
Ich wühlte verzweifelt in seinem Rucksack, dann suchte ich den Boden ab. »Wo ist deine zweite Wasserflasche?«
Er setzte eine dämliche Miene auf. »Die habe ich weggeworfen. «
»Hast du wirklich deine Wasserflasche weggeworfen?« Das war der reinste Wahnsinn. Wenn man eins beim Wandern im August absolut braucht, dann literweise Trinkwasser.
»Sie war zu schwer.«
»Natürlich ist die schwer. Wasser ist immer schwer. Aber es ist nun mal lebensnotwendig, findest du nicht?«
Er sah mich wieder hilflos an. »Ich mußte etwas Gewicht loswerden. Ich war verzweifelt.«
»Nein. Saublöd.«
»Ja, das auch«, pflichtete er mir bei.
»Wenn du nur nicht immer solchen Scheiß machen würdest, Stephen.«
»Ich weiß«, sagte er bußfertig.
Während Katz weiter sein Zelt aufbaute, ging ich los, um für den nächsten Morgen Wasser zu filtern. Baker Stream war eigentlich ein richtiger Fluß – breit, flach, klar – und sah im Licht des Sommerabends, mit den überhängenden Zweigen im Hintergrund und den letzten Sonnenstrahlen, die auf der Wasseroberfläche funkelten, sehr malerisch aus. Als ich so am Ufer kniete, spürte ich irgend etwas Merkwürdiges – ich weiß nicht was – zwischen den Bäumen links hinter mir, das mich veranlaßte aufzustehen und durch das Gestrüpp am Ufer zu schauen. Weiß der Himmel, was mich dazu trieb, mich umzusehen, denn bei dem melodischen Geplätscher des Flußwassers hätte ich gar nichts hören können – jedenfalls starrte mich aus dem dunklen Unterholz knapp fünf Meter von mir entfernt mit haßerfülltem Blick ein Elch an, voll ausgewachsen, ein Weibchen, wie ich vermutete, da es kein Geweih trug. Offenbar war es auf dem Weg zu seiner Wasserstelle gewesen, als es durch meine Anwesenheit aufgehalten worden war. Jetzt schien es unentschlossen, was es tun sollte.
Mitten im Wald einem wilden Tier, das größer ist als man selbst, von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen ist eine außergewöhnliche Erfahrung. Man weiß natürlich, daß diese Tiere dort leben, aber man erwartet in keinem Moment, tatsächlich einem zu begegnen, und schon gar nicht, eines aus so unmittelbarer Nähe zu sehen. Dieses hier war so nah, daß ich den Schwärm fliegenähnlicher Insekten erkennen konnte, die seinen Kopf umkreisten. Wir schauten uns minutenlang in die Augen, beide unsicher, wie wir uns verhalten sollten. Es lag etwas Abenteuerliches in dieser Begegnung, das war deutlich zu spüren, aber auch etwas Tiefgründiges und Elementares – eine Art gegenseitige Anerkennung, die ein dauerhafter Blickkontakt mit sich bringt. Das war das Aufregende daran – das Gefühl, daß in unserer behutsamen, gegenseitigen Respektbezeugung gewissermaßen eine Begrüßung zum Ausdruck kam. Ich war hingerissen.
Kurz zuvor hatte ich irgendwo zu meinem Ärger gelesen, daß man in New England wieder angefangen hat, Jagd auf Elche zu machen. Es ist mir ein Rätsel, wie man auf so ein harmloses und zurückhaltendes Tier wie einen Elch schießen kann, aber Tausende von Menschen finden Vergnügen daran, offenbar sogar so viele, daß einige Bundesstaaten dazu übergegangen sind, die Jagdlizenzen zu verlosen. 1996 gingen für die 1.500 in Maine zu vergebenden Jagdscheine 82.000 Anträge ein, und über 12.000 Antragsteller aus anderen Bundesstaaten zahlten bereitwillig 20 Dollar Gebühr nur für die Erlaubnis, überhaupt an der Verlosung teilnehmen zu dürfen.
Die Jäger wollen einem weismachen, Elche seien wilde und bösartige Tiere. Unsinn. Elche sind friedlich wie Kühe, die von einem Dreijährigen am Strick herumgeführt werden. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Elche sind die seltsamsten Geschöpfe, die je in der Wildnis gelebt haben, und sie sind auf liebenswerte Weise hilflos. Alles an einem Elch – die spindeldürren Beinchen, der typische, unentwegt verwirrte Gesichtsausdruck, das komische, wie zwei Topfhandschuhe geformte Geweih – -wirkt wie ein einziger possierlicher Witz der Evolution. Das Tier ist erstaunlich unbeholfen: Es läuft, als wüßte ein Bein nicht, was das andere macht. Was den Elch jedoch besonders auszeichnet, ist der unübertreffliche Mangel an Intelligenz. Wenn man auf einem Highway fährt und unterwegs tritt ein Elch aus dem Wald und stellt sich in den Weg, starrt einen das Tier erstmal minutenlang an
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