Picknick mit Bären
wir freuten uns über diese Premiere. Wir packten unsere Zelte ein, frühstückten Rosinen und Snickers und brachen auf. Um neun Uhr stand die Sonne bereits hoch und knallte erbarmungslos auf uns nieder. Normalerweise ist es im Wald selbst an heißen Tagen einigermaßen kühl, aber heute war die Luft stickig und feucht, geradezu tropisch. Zwei Stunden nach unserem Aufbruch kamen wir an eine schätzungsweise knapp einen Hektar große Lagune voller Schilf, umgestürzter Baumstämme und den nackten Rümpfen abgestorbener Bäume. Libellen tanzten auf der Wasseroberfläche. Am anderen Ufer erhob sich ein gigantischer Koloß, der Moxie Bald Mountain, und wartete auf uns. Aber zunächst stellten wir mit großer Beunruhigung fest, daß der Weg am Rand des Sees abrupt endete. Katz und ich sahen uns an – hier konnte etwas nicht stimmen. Zum ersten Mal seit damals in Georgia fragten wir uns ernsthaft, ob wir uns verirrt hatten. (Wer weiß, wie sich Chicken John in so einer Situation verhalten hätte.) Wir gingen den gleichen Weg ein gutes Stück zurück, überprüften irritiert unsere Karte und unseren Trail-Führer, suchten nach einer Alternativroute um den See herum, durch das dichte, die Haut aufschürfende Unterholz, und gelangten schließlich zu der Erkenntnis, daß man offenbar von uns erwartete, daß wir den See durchquerten. Katz entdeckte auf der gegenüberliegenden Seite, knapp 80 Meter entfernt, die Fortsetzung des Wegs und das typische weiße Wanderzeichen des Appalachian Trail. Wir mußten also durch das Wasser waten.
Katz ging voraus, barfuß und in Boxershorts, nahm einen langen Stock zur Hilfe und stakte damit durch das Gewirr von halb unter, halb über Wasser liegenden Baumstämmen. Ich folgte ihm in gebührendem Abstand auf die gleiche Weise und achtete darauf, daß ich mit meinem Gewicht nicht einen Baumstamm belastete, auf dem er gerade ging. Die Stämme waren mit einer dicken Moosschicht bedeckt und schnellten hoch oder drehten sich, wenn man auf sie trat. Zweimal wäre Katz beinahe gestürzt. Nach ungefähr 25 Metern verlor er gänzlich den Halt und fiel platschend, mit rudernden Armen und lautem Wehgeschrei in das trübe Wasser. Er tauchte vollständig unter, tauchte auf, ging wieder unter und kam heftig strampelnd und mit den Armen fuchtelnd hoch, so daß ich im ersten Moment dachte, er würde ertrinken. Das Gewicht seines Rucksacks zog ihn nach hinten und hinderte ihn daran, sich aufzurichten oder wenigstens den Kopf über Wasser zu halten. Ich wollte gerade meinen eigenen Rucksack absetzen und mich in die Fluten stürzen und ihm zur Hilfe eilen, als Katz einen Baumstamm zu fassen bekam und sich an ihm in eine aufrechte Haltung hochzog. Das Wasser reichte ihm bis zur Brust. Er klammerte sich an den Baumstamm, keuchte schwer vor Anstrengung, wieder zu Atem zu kommen und sich zu beruhigen. Er hatte offenbar einen gehörigen Schrecken bekommen.
»Geht es wieder?« fragte ich ihn.
»Alles prima«, erwiderte er. »Alles prima. Ich frage mich nur, warum sie hier keine Krokodile ausgesetzt haben, dann wäre es wenigstens ein richtiger Abenteuerurlaub.«
Ich kämpfte mich weiter vorwärts, aber nach wenigen Schritten fiel ich auch ins Wasser. Es gab ein paar Momente, da sah ich die Welt, surreal und wie in Zeitlupe, aus der ungewöhnlichen Perspektive eines Tauchers, während sich meine Hand verzweifelt nach einem Baumstamm ausstreckte, ihn aber knapp verfehlte – all das geschah in einer seltsamen Stille, wie in einer Blase –, bevor Katz mir mit schaufelnden Bewegungen zur Hilfe eilte, mich zurück in die Welt des Lichts und der Geräusche zog und auf die Beine stellte. Ich war erstaunt, wie kräftig er war.
»Danke«, prustete ich.
»Keine Ursache.«
Wir wateten mit schweren Schritten ans andere Ufer, fielen abwechselnd hin und halfen uns gegenseitig wieder auf die Beine, krochen die matschige Böschung hoch, halb verrottete Pflanzen im Schlepptau und mit triefenden Rucksäcken. Wir setzten unsere Last ab und ließen uns völlig durchnäßt und erledigt auf dem Boden nieder und schauten hinaus auf die Lagune, als hätte diese uns soeben einen bitterbösen Streich gespielt. Ich wüßte nicht, wann ich mich je so früh am Tag so erschöpft gefühlt hatte. Plötzlich hörten wir Stimmen, und zwei junge Hiker, locker, flockig und ziemlich sportlich, traten aus dem Wald hervor. Sie begrüßten uns mit einem Kopfnicken und schauten abschätzend auf das Wasser.
»Da müßt ihr wohl oder übel durch«,
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