Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
hetzte ihn trotz seines wortreichen Widerspruchs, er müsse sich auf der Stelle hinsetzen, über die Straße. Ich wollte unbedingt ein Auto anhalten, bevor Mary Ellen auftauchte und alles wieder vermasselte. Ich wußte nicht wie, ich wußte nur, daß sie es schaffen würde.
    »Hast du sie gesehen?« fragte ich Katz besorgt.
    »Ganz weit hinter mir. Sie saß auf einem Stein, hatte die Schuhe ausgezogen und rieb sich die Füße. Sie sah ziemlich erledigt aus.«
    »Gut.«
    Katz pflanzte sich auf seinen Rucksack, schmutzig und erschöpft wie er war, und ich stellte mich neben ihn an die Böschung, hielt den Daumen raus, versuchte, uns als ehrbare und anständige Menschen zu verkaufen und schickte jedem Auto und jedem Pick-up, die an uns vorbeifuhren, im stillen eine Schimpfkanonade hinterher. Ich war seit 25 Jahren nicht mehr getrampt, und es war eine etwas demütigende Erfahrung. Die Autos rasten vorbei, unglaublich schnell, wie wir fanden, die wir jetzt im Wald hausten, und die Fahrer würdigten uns nicht mal eines Blickes. Ganz wenige näherten sich etwas langsamer, immer saßen ältere Herrschaften in den Wagen – kleine, weiße, gerade über Fensterhöhe ragende Köpfchen –, die uns ohne Mitgefühl ausdruckslos anstarrten, wie eine Herde Kühe auf der Weide. Es kam mir unwahrscheinlich vor, daß irgend jemand für uns anhalten würde. Ich hätte auch nicht für uns angehalten.
    Nachdem uns eine Viertelstunde lang ein Auto nach dem anderen verschmäht hatte, verkündete Katz verzagt: »Hier nimmt uns nie einer mit.«
    Er hatte natürlich recht, aber es ärgerte mich, daß er immer so schnell aufgab. »Kannst du nicht mal etwas mehr Optimismus ausstrahlen?« bat ich ihn.
    »Na gut, bin ich eben optimistisch. Aber ich bin absolut davon überzeugt, daß uns hier kein Mensch mitnimmt. Sieh uns doch nur an.« Er schnüffelte angeekelt unter seinen Achselhöhlen, »Ich stinke wie faule Eier.«
    Es gibt ein Phänomen, das sich »Trail Magic« nennt, das bei allen Wanderern des Appalachian Trail bekannt ist und von dem mit Ehrfurcht gesprochen wird. Man könnte es auch das Wunder des Zufalls nennen, jedenfalls besagt es, daß häufig dann, wenn es besonders finster aussieht, irgend etwas passiert, das einen wieder Licht am Ende des Tunnels sehen läßt. Bei uns war es ein kleiner Pontiac Trans Am, der vorbeiflog und dann 100 Meter weiter mit quietschenden Reifen und in eine Staubwolke gehüllt am Straßenrand zum Stehen kam. Es war so weit weg von der Stelle, wo wir standen, daß wir kaum glauben konnten, das Auto hielte wegen uns, aber dann wurde der Rückwärtsgang eingelegt, und es kam auf uns zu, fuhr halb auf der Böschung, halb auf der Straße, sehr schnell und in Schlangenlinien. Ich stand wie festgenagelt. Am Tag davor hatten uns ein paar erfahrene Wanderer berichtet, daß sich die Leute im Süden manchmal einen Spaß daraus machten, auf Tramper, die vom Appalachian Trail kamen, zuzurasen, um im letzten Moment auszuweichen, oder ihre Rucksäcke zu überfahren, und ich hatte plötzlich den Verdacht, daß es sich hierbei um solche Leute handelte. Ich wollte gerade in Deckung springen, und selbst Katz machte schon Ansätze, sich zu erheben, als das Auto röhrend und wieder mit viel aufgewirbeltem Staub ein paar Meter vor uns stehenblieb und eine junge Frau den Kopf aus dem Fenster der Beifahrertür , steckte.
    »Wollta mitkomm’?« rief sie.
    »Klar, und wie«, sagten wir und benahmen uns wie zwei brave Kinder.
    Wir rannten mit unseren Rucksäcken zu dem Wagen, schauten durch die Fenster und sahen ein sehr hübsches, sehr glückliches, sehr betrunkenes junges Pärchen. Die beiden waren höchstens 18 oder 19 Jahre alt. Die Frau goß aus einer zu drei Viertel leeren Flasche Wild-Turkey-Whiskey zwei Plastikbecher randvoll. »Hü« sagte sie. »Kommt rein.«
    Wir zögerten. Der Wagen war fast bis unter die Decke mit Zeug vollgepackt, Koffer, Kartons, Plastiktüten, stapelweise Kleider auf Bügeln. Es war ohnehin ein kleines Auto – und schon für die beiden ziemlich eng.
    »Mach mal ein bißchen Platz für die Herren, Darren«, befahl die junge Frau, und fügte dann erklärend hinzu: »Das ist Darren.«
    Darren stieg aus, begrüßte uns grinsend, machte den Kofferraum auf und stierte mit leerem Blick hinein, bis sich allmählich die Erkenntnis in seinem Gehirn breitgemacht hatte, daß er ebenfalls picke packe voll war. Darren war dermaßen betrunken, daß ich für einen Augenblick dachte, er würde im Stehen

Weitere Kostenlose Bücher