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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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einschlafen, aber er kam wieder zu sich, fand ein Stück Schnur und band unsere beiden Rucksäcke geschickt aufs Dach. Dann schob er, die energischen Ratschläge und Proteste seiner Freundin überhörend, das Zeug auf dem Rücksitz ein bißchen zusammen, bis ein schmaler Hohlraum geschaffen war, in den Katz und ich uns quetschten, während wir unter Geächz und Gestöhn Entschuldigungen und Gefühle größter Dankbarkeit zum Ausdruck brachten.
    Die junge Frau hieß Donna, und die beiden waren unterwegs zu irgendeinem Ort mit einem gräßlichen Namen – Turkey Balls Falls oder Coon Slick oder so ähnlich, ungefähr achtzig Kilometer von hier, aber sie würden uns in Hiawassee absetzen, wenn wir vorher nicht alle tot im Straßengraben landeten. Darren raste mit 200 Stundenkilometern, nur einen Finger am Steuer, wippte dabei mit dem Kopf zu irgendeinem Rhythmus, während Donna sich umdrehte, um sich mit uns zu unterhalten. Sie war umwerfend hübsch, hinreißend hübsch.
    »Ihr müßt schon entschuldigen. Wir beide feiern gerade.« Sie hob ihren Plastikbecher hoch, wie um uns zuzuprosten.
    »Was wird denn gefeiert?« fragte Katz.
    »Wir wolln morgen heiraten«, verkündete sie stolz.
    »Nicht möglich«, sagte Katz. »Meinen Glückwunsch.«
    »Ja, ja. Darren macht eine anständige Frau aus mir.« Sie wuschelte in seinem Haar, beugte sich dann spontan zur Seite und gab ihm einen Kuß auf die Wange, der immer ausdauernder wurde, dann eindringlicher, dann eindeutig lüstern und seinen krönenden Abschluß in einem ruckartigen Vorstoß ihrer Hand an eine gewagte Stelle fand – jedenfalls vermuteten wir das, denn Darren stieß mit dem Kopf an die Decke und machte einen kurzen, nervenaufreibenden Ausflug auf die Gegenfahrbahn. Donna drehte sich daraufhin mit einem verträumten, unverfroren anzüglichen Grinsen zu uns um, als wollte sie sagen: Wer will als nächster? Es sah so aus, überlegten wir uns später, als hätte Darren alle Hände voll zu tun gehabt in dem Moment, aber wahrscheinlich lohnte sich die Mühe.
    »Wollt ihr was trinken?« bot sie plötzlich an, griff die Flasche am Hals und suchte den Boden nach Bechern ab.
    »Nein, danke«, sagte Katz. Es war eine Versuchung für ihn.
    »Komm schon«, ermunterte sie ihn.
    Katz hielt abwehrend die Hand hoch. »Ich bin geheilt.«
    »Wirklich? Wie schön für dich. Trink einen drauf.«
    »Nein, danke. Ich möchte nicht.«
    »Was ist mit dir?« sagte sie zu mir.
    »Nein, nein. Danke.« Ich hätte meine eingequetschten Arme sowieso nicht frei bekommen, selbst wenn ich gewollt hätte. Sie baumelten vor mir wie zwei schlaffe Gliedmaßen von einem Tyrannosaurus.
    »Du bist aber nicht geheilt, oder?«
    »Irgendwie schon.« Ich hatte beschlossen, für die Dauer unserer Tour aus Solidarität dem Alkohol zu entsagen.
    Sie sah uns an. »Seid ihr Mormonen oder so?«
    »Nein, nur Wanderer.«
    Sie nickte bedächtig, gab sich damit zufrieden und trank einen Schluck. Dann brachte sie Darren wieder an die Decke.
    Sie setzten uns vor Mull’s Motel in Hiawassee ab, einem altertümlichen, nichtssagenden Haus, das offenkundig keiner Hotelkette angeschlossen war und das an einer Straßenecke unweit des Stadtzentrums lag. Wir dankten den beiden überschwenglich, machten ein bißchen Getue wegen dem Benzingeld, das wir ihnen geben wollten, das sie aber hartnäckig ablehnten, und sahen ihnen hinterher, als Darren, wie von einem Raketenwerfer abgefeuert, auf die befahrene Straße glitt. Ich bildete mir ein, daß er sich gerade wieder den Kopf an der Decke stieß, als das Auto hinter einer kleinen Anhöhe verschwand.
    Dann standen wir mit unseren Rucksäcken allein da, auf dem leeren Parkplatz des Motels, in einer staubigen, verlorenen, sonderbaren Stadt im Norden von Georgia. Das Wort, das jedem Wanderer in den Sinn kommt, wenn er an Georgia denkt, heißt Deliverance (Beim Sterben ist jeder der Erste), der Titel des Romans von James Dickey, der später in Hollywood verfilmt wurde. Es geht darin, wie Sie sich vielleicht erinnern, um vier Männer in den besten Jahren aus Atlanta, die übers Wochenende eine Kanufahrt auf dem fiktiven Cahulawassee River machen (dessen Vorbild, der Fluß Chattooga, verläuft in der Nähe) und völlig aus der Bahn geworfen werden. »Hier hat jeder, den ich kennengelernt habe, in seiner Familie mindestens einen Verwandten im Gefängnis sitzen«, sagt eine der Figuren ahnungsvoll während der Hinfahrt. »Einige wegen Schwarzbrennerei, andere, weil sie das Zeug verhökern,

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