Picknick mit Bären
aber die meisten sind wegen Mordes drin. Ein Menschenleben ist hier nicht viel wert.« Das erweist sich dann natürlich als zutreffend: Das muntere Quartett aus der Metropole wird nacheinander in den Arsch gefickt, von verrückten Hinterwäldlern gejagt und dann umgebracht.
Am Anfang des Romans gibt es eine Stelle, da halten die vier unterwegs an und fragen »in einer verschlafenen, von einer seltenen Krankheit befallenen, häßlichen Stadt« nach dem Weg. Diese Stadt hätte gut und gern Hiawassee sein können. Das Buch spielt jedenfalls in diesem Teil des Bundesstaates, und der Film wurde auch in dieser Gegend gedreht. Der berühmte Banjo spielende Albino, der in dem Film »Dueling Banjos« anstimmt, wohnt angeblich in Clayton, das nicht weit weg liegt.
Dickeys Buch hat bei seinem Erscheinen erwartungsgemäß heftige Kritik im Staat Georgia ausgelöst – ein Journalist meinte, es sei »die niederträchtigste Charakterisierung der Bergbewohner des Südens in der gesamten modernen Literatur«, was noch« eine Untertreibung ist –, aber es läßt sich nun einmal nicht leugnen, daß die Menschen seit 150 Jahren von den Bewohnern des nördlichen Georgia geradezu entsetzt sind. Ein Chronist des 19.Jahrhunderts beschreibt die Leute als »groß gewachsene, hagere, leichenähnliche Kreaturen, melancholisch und träge wie gekochter Kabeljau«. Andere machen großzügigen Gebrauch von Wörtern wie »verdorben«, »grob«, »unzivilisiert« und »zurückgeblieben«, um das abgeschiedene, ungebildete Völkchen in den tiefen, finsteren Wäldern und hoffnungslosen Städtchen Georgias zu beschreiben. Dickey, der selbst aus Georgia stammte und die« Gegend gut kannte, schwor Stein und Bein, daß es sich um eine zutreffende Beschreibung handelte.
Vielleicht lag es an dem nachhaltigen Eindruck, den das Buch hinterlassen hatte, vielleicht einfach an der Tageszeit, vielleicht auch daran, daß es ungewohnt war, wieder in einer Stadt zu sein, jedenfalls hatte Hiawassee etwas spürbar Merkwürdiges und Beunruhigendes an sich. Es war ein Ort, in dem es einen nicht sonderlich erstaunt hätte, an einer Tankstelle das Benzin von einem Zyklopen gezapft zu bekommen. Wir betraten den Empfangsraum des Motels, der mich eher an ein kleines schmuddeliges Wohnzimmer und nicht an ein Büro erinnerte, und fanden eine alte Frau vor, mit wuscheligem, weißen Haar und einem hellen Baumwollkleid, die auf einem Sofa neben der Tür saß. Sie schien sich über unseren Besuch zu freuen.
»Hi«, sagte ich. »Wir hätten gern ein Zimmer.«
Die Frau grinste und nickte.
»Eigentlich zwei Zimmer, wenn’s geht.«
Die Frau grinste und nickte wieder. Ich wartete darauf, daß sie aufstand, aber sie rührte sich nicht.
»Für heute«, sagte ich aufmunternd. »Sie vermieten doch Zimmer, oder nicht?« Ihr Grinsen erweiterte sich zu einem Strahlen, und sie nahm meine Hand und hielt sie fest, ihre Finger fühlten sich knochig und kalt an. Sie sah mir erwartungsvoll und eindringlich in die Augen, als hoffe sie, daß ich gleich ein Stöckchen werfen würde, das sie holen sollte.
»Sag ihr, wir kämen aus der Wirklichkeit«, flüsterte mir Katz ins Ohr.
Im selben Moment öffnete sich mit Schwung eine Tür, und eine grauhaarige Frau, die ihre Hände an einer Schürze abtrocknete, kam herein.
»Es hat keinen Zweck, mit ihr zu reden«, sagte sie in freundlichem Tonfall. »Sie versteht nichts, und sie spricht nicht. Laß die Hand von dem Mann los, Mutter.« Die alte Frau strahlte sie an. »Du sollst die Hand von dem Mann loslassen!«
Meine Hand wurde freigegeben, und wir mieteten zwei Zimmer. Wir zogen mit den Schlüsseln los und vereinbarten, uns in einer halben Stunde wieder zu treffen. Mein Zimmer war schlicht und schäbig, jede nur denkbare Oberfläche, einschließlich Toilettenbrille und Türschwelle, verzierten Brandlöcher, und Wände und Decke waren übersät mit Flecken, was den Gedanken nahelegte, daß hier ein Streit stattgefunden hatte, bei dem es offenbar um Leben und Tod gegangen war und Unmengen heißen Kaffees eine Rolle gespielt haben mußten. Für mich jedenfalls war es das Paradies. Ich rief Katz an, aus purer Lust, mal wieder ein Telefon zu benutzen, und ich erfuhr, daß sein Zimmer noch schlimmer aussah. Wir waren hochzufrieden.
Wir duschten, zogen die letzten frischen Klamotten an, die wir hatten und begaben uns erwartungsvoll in ein beliebtes, nahegelegenes Bistro, das sich Georgia Mountain Restaurant nannte. Auf dem Parkplatz standen lauter
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