Piesberg in Flammen
länger geworden, doch es dunkelte schon. Noch dunkler war es unter den mächtigen Bäumen. Kiefern, die bis sechsunddreiÃig Meter hoch werden. Eichen. Die Luft roch frisch, und wenn man sie scharf durch die Nase einsog, brannte sie ganz leicht auf den Schleimhäuten. Ein paar Frauen mittleren und gehobenen Alters begegneten ihm. Wenige Männer, aber ein Rentnerehepaar. Wen die wohl begraben hatten? Die Grabsteine gaben erstaunlich wenig Information preis. Manchmal stand dort nur ein Familienname ohne Datum. Waren Vornamen angegeben, dann fiel auf, wie viele Männer hier lagen. In einem Fall las Hero Dyk vier männliche und zwei weibliche Namen. Man weià ja, dass Frauen länger leben, aber das wirkte übertrieben.
SchlieÃlich hatte Trush-Orbeek sein Ziel erreicht und blieb vor einem Grab stehen, um zu beten. Er hatte keine Blumen dabei, noch richtete er irgendetwas. Er stand nur da und betete. Hero Dyk zog sein Notizbuch hervor und notierte, was seine Sinne ihm erzählten. Die Vögel sangen. Eine energische junge Frau ein paar Gräber weiter, die mit lautem Rascheln alte Zweige noch vom Herbst beseitigte und dann den Weg harkte. Eine GieÃkanne wurde voll Wasser gefüllt. Zwei Eichhörnchen jagten sich hoch oben in den Bäumen mit lautem Getöse. Ganz entfernt und undeutlich die Geräusche vom Steinbruch. Hinter ihm fuhr ein Rad über den Kiesweg, obwohl das verboten war.
Trush-Orbeek betete ein paar Minuten, dann setzte er sich etwas entfernt auf eine Bank, und es sah aus, als ob er sich länger dort einrichtete.
Hero Dyk sah zu dem Grab. Er konnte die Inschrift lesen, sie nannte den Familiennamen, sonst nichts: Trush-Orbeek. Ein weiterer Rückschluss auf die dort Bestatteten war nicht möglich. Er bemühte sich, vor Trush-Orbeek wieder auf der StraÃe zu stehen, um zur Siedlung zu fahren. Dort fiel ihm kurz ein Mann auf, der die StraÃe entlanglief und wie einer der Obdachlosen aussah. Er achtete nicht weiter darauf. Jacqui wartete auf ihn.
Fast den ganzen Tag hatte er auf dem Rad verbracht, und er fühlte sich groÃartig. Aber ein wenig spürte er das viele Fahren jetzt in den Knochen. Die Siedlung lag friedlich da, wenn man sie von der LandstraÃe aus betrachtete. Das Mietshaus war dunkel, vor dem Backsteinhaus von Trush-Orbeek brannte ein AuÃenlicht, und es stieg Rauch aus dem Schornstein. Bei Jacqui LaBelle schien niemand zu Hause zu sein, nirgends war Licht oder Bewegung zu erkennen. Von der Siedlung ging eine Kälte aus, die er in seinen Eingeweiden spürte. Die Kälte und Leere einer sternklaren Winternacht, frostig bis auf die Knochen. Ãde bis ins Herz hinein. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Himmel sich von Westen her bedeckte. Endlich Regen, dachte er. Das Licht bekam einen ockerfarbenen Ton. Ein frischer Wind hatte eingesetzt und lieà ihn den ReiÃverschluss an seiner Sportjacke etwas höher ziehen.
Hero Dyk schimpfte leise, doch dann erkannte er einen leichten Schimmer in Jacquis Fenstern. Es war also doch jemand zu Hause. Er war nicht umsonst gekommen. Und war da nicht eine Bewegung tief im Haus, die ihn lockte? Er konnte nicht sagen, was es war, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte, deshalb fuhr er hinunter, um nachzusehen. Das Fahrrad lieà er auf den Rasen fallen, ohne es abzuschlieÃen.
Er klopfte an die Tür, aber es öffnete niemand. Von drinnen war Musik zu hören, wie beim letzten Mal. Er legte die Hand über die Augen und trat ganz dicht an die spiegelnde Scheibe heran, um ins Haus zu sehen. Nichts.
Er fasste nach der Klinke, und die Tür öffnete sich fast geräuschlos. Hero Dyk trat ein, es war angenehm warm im Haus. Er schloss die Tür hinter sich, wagte jedoch nicht, weiter vorzutreten. Er kannte die Musik, aber er hörte nicht zu. Etwas Altes. Niemand da. Weder Jacqui noch Simon, so schien es. Er wähnte sich ganz allein. Das Licht war stark gedämmt und glich dem schwülgelben Ton drauÃen.
Ein Geräusch von oben aus dem ersten Stock zog ihn an. Die Treppe von oben verlief parallel zur hinteren Wand des Hauses und wand sich erst mit einem letzten Absatz in den Raum. Das Summen kannte er. Jetzt hörte er auch bewusst die Musik, die dazu spielte. Ein französischer Popsong. Der Titel wollte ihm nicht einfallen. Es ging um eine Puppe, die sich stets verweigerte. Die Gitarre klang extrem blechern, der Refrain wie geheult. Jacqui heulte mit.
Hero Dyk zog die
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