Pilger Des Hasses
jemand, der plötzlich aus dem Schlaf gerissen worden ist. Er flüsterte, daß er geträumt habe, es sei Zeit, sich wieder auf den Weg zu machen. Matthew nahm ihm den Ranzen ab und stellte ihn beiseite, und dann lagen sie wieder still. Aber ich glaube nicht, daß Ciaran danach gut geschlafen hat. Sein Traum hatte ihn wohl sehr verstört, denn ich hörte, wie er sich noch lange wand und herumwarf.«
»Wußten die beiden«, fragte Cadfael, »daß auch Ihr wach wart und alles hören konntet?«
»Das weiß ich nicht. Ich verstellte mich nicht, ich hatte böse Schmerzen, und sie müssen wohl gehört haben, wie ich mich regte... ich konnte nichts dagegen tun. Aber natürlich redete ich sie nicht an; das wäre unhöflich gewesen.«
Also ein Traum; vielleicht eine vorgeschobene Erklärung, um Rhun und jeden anderen, der außer ihm wach gelegen hatte, zu täuschen. Natürlich, ein Kranker, der des Nachts Schmerzen hat, mochte sich aus Rücksichtnahme und um seinen Freund in Frieden schlafen zu lassen, verstohlen erheben. Aber andererseits hätte er sich erklären können, wenn er sich erleichtern mußte, und wäre dennoch gegangen, auch nachdem sein Freund erwacht war und ihn zurückgehalten hatte. Doch statt dessen hatte er sich auf einen Alptraum berufen und sich wieder hingelegt. Männer, die sich im Traum erheben, bewegen sich tatsächlich leise und fast verstohlen. Es konnte, es mußte so sein, wie es schien.
»Ihr seid einige Meilen mit den beiden zusammen gereist, Rhun. Wie habt Ihr Euch dabei verstanden? Ihr habt sie sicher ganz gut kennengelernt.«
»Sie waren genauso langsam wie wir, das hielt uns zusammen, nachdem meine Schwester fast über den Haufen geritten worden war. Matthew rannte los und fing sie auf und sprang mit ihr über den Graben. Die beiden wollten uns gerade überholen, aber danach blieben wir zusammen. Ich würde allerdings nicht behaupten, daß wir sie gut kennengelernt haben - sie sind immer so ineinander versunken. Außerdem hatte Ciaran Schmerzen, die ihn wortkarg machten. Er erklärte uns nur, wohin er wollte und aus welchem Grund er die Reise angetreten habe. Melangell und Matthew gingen eine Zeitlang hinter uns, und er hatte ihr ein paar Sachen abgenommen, da er selbst so wenig zu tragen hatte. Ich fand es nicht absonderlich, daß Ciaran so schweigsam war, denn ich wußte, was er zu leiden hatte. Und meine Tante Alice kann für zwei reden«, schloß er ohne Bosheit.
Das konnte sie, und das hatte sie zweifellos auf dem letzten Wegstück bis Shrewsbury getan.
»Diese beiden, Ciaran und Matthew«, forschte Cadfael vorsichtig weiter, »haben sie Euch nicht gesagt, wie sie zusammengekommen sind? Ob sie Verwandte oder Freunde sind oder ob sie sich erst auf der Reise kennengelernt haben?
Sie sind etwa im gleichen Alter, sie sind einander recht ähnlich, sie sind junge, gebildete Männer. Ich glaube, sie wurden zu Schreibern oder Schildknappen ausgebildet; sie sind wohl nicht verwandt und nach ihrem Äußeren ganz unterschiedlich erzogen. Und nun frage ich mich, wie die beiden zu dieser Reise zusammengefunden haben. Ihr seid ihnen südlich von Warwick begegnet? Ich frage mich, woher sie kommen.«
»Sie haben nicht darüber gesprochen«, sagte Rhun, der erst jetzt darüber nachzudenken begann. »Es war angenehm, sie als Weggefährten zu haben; so war wenigstens ein kräftiger junger Mann bei uns. Die Straßen können für zwei Frauen, die nur einen Krüppel wie mich bei sich haben, gefährlich sein.
Aber nun, da Ihr es erwähnt - nein, sie haben uns weder verraten, woher sie kommen, noch was sie verbindet. Vielleicht weiß meine Schwester mehr«, sagte Rhun. Er rutschte etwas herum, damit Bruder Cadfael die Sehnen seines Oberschenkels bearbeiten konnte. »An manchen Tagen wurde sie mit Matthew warm, und die beiden plauderten recht munter hinter uns.«
Cadfael bezweifelte, daß sich die Gespräche um etwas anderes als um sie selbst gedreht hatten; sie waren wohl Seite an Seite nebeneinander gewandert: das Mädchen in Gedanken an den Augenblick, als sie umgerissen und über den Graben geschleudert worden war, bis sie direkt an Matthews Brust lag; er mit den Gedanken bei dem zauberhaften Wesen, das neben ihm lief, und bei der Erinnerung an ihren schlanken, warmen, erschreckten Körper in seinen Armen.
»Aber jetzt sieht er sie kaum noch an«, sagte Rhun bedauernd.
»Er kümmert sich nur um Ciaran, und Melangell stört ihn nur.
Aber er muß sich sehr bemühen, um sie zu
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