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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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unterdrücktem Zorn, »dann wird dies Euer letzter Tag auf Gottes Erdboden sein! So wahr ich Kapitän der ›Charon‹ bin!«

     

KOMPLET
    Worin der Todfeind des Pfandleihers im Flecken MARKTHEIDENFELD das Lager mit einem liederlichen Weibsbild teilt.

     
    Die Sonne stand tief, er musste sich sputen. Dank einem Wunderheiler samt Eselskarren hatte er wenigstens nicht zu Fuß gehen müssen, aber als sich der Feldweg gabelte, hatte die Bequemlichkeit ein Ende. Der Wunderheiler, unter anderem Prediger, Medikus und Krämer, schlug den Weg nach Wertheim ein. Er dagegen die andere Richtung. Dieser Quacksalber war ihm einfach zu geschwätzig. Deshalb ging er lieber zu Fuß.
    Nicht lange, und er sollte es bereuen. Die Zeiten waren unsicher. Beutelschneider, Schnapphähne und Straßenräuber, die längs des Weges auf Beute lauerten, keine Seltenheit. Und dann waren da natürlich die knapp 1.000 Gulden, um die er den Pfandleiher erleichtert und derentwegen er all das hier auf sich genommen hatte. Eine märchenhaft hohe Summe und die Gewähr für ein sorgenfreies Leben. Vorausgesetzt, er würde den Häschern, die sich an seine Fersen heften würden, ein Schnippchen schlagen. Und seine falsche Identität wahren.
    Allein auf knochentrockenem Pfad, nahm er den Hut ab und trank aus dem Wasserschlauch, den er über dem Rücken trug. Als er ihn wieder aufsetzen wollte, blieb sein Blick auf der Muschel an der breitkrempigen Stirnseite haften. Das aufgeschwemmte, von rötlichen Bartstoppeln verunzierte Gesicht mit den Froschaugen verzog sich zu einem zynischen Lächeln. Für seine Zwecke war die Gewandung eines Jakobspilgers wie geschaffen. Ach was, sie war geradezu ideal! Ein verschlissener, ärmelloser Mantel, ein mindestens ebenso verschlissener Hut, ein knorriger, fast mannshoher Stab, an dessen Ende sich ein Bündel mit ein paar Habseligkeiten befand. Und natürlich der Rosenkranz, dessen Perlen wie Schlangeneier aufgereiht waren: Nicht einmal der misstrauischste aller Zeitgenossen würde bei einer derartigen Gewandung auf falsche Gedanken kommen. Dazu war sie viel zu unauffällig.
    Nachgerade perfekt.
    »Wohin des Weges, frommer Mann?«
    Ein Moment der Unachtsamkeit. Eitler Gedankenspielereien. Und dann dies.
    Mit dem Narbengesicht, das ihm den Weg versperrte, war bestimmt nicht zu spaßen. Bärtig, zerlumpt und fettiges Haar. Dazu klein und untersetzt. Der Griff um seinen Pilgerstab verfestigte sich, und er stöhnte innerlich auf.
    Ein Beutelschneider wie aus dem Bilderbuch. Das hatte ihm gerade noch gefehlt.
    »Wohl nicht sehr gesprächig, was?«
    Die Stimme hinter seinem Rücken, keine allzu große Überraschung mehr, ließ ebenfalls den geübten Schnapphahn erkennen. So jemanden konnte er förmlich riechen. Diebesgesindel, Abschaum, Auswurf der Gosse. Keinen Deut besser als der Pfandleiher. Müßig, sich überhaupt umzudrehen. Zum Äußersten entschlossen, funkelte er den Gnom mit dem Narbengesicht an. Er würde sich nicht geschlagen geben, sämtlichen Widrigkeiten zum Trotz. Er würde sich seiner Haut zu wehren wissen. Mit Zähnen und Klauen, wenn es sein musste. Wenn nicht, wäre alles umsonst gewesen.
    Seiner Sache absolut sicher, zückte das Narbengesicht einen Dolch und schlenderte gemächlich auf ihn zu. Ein Ablenkungsmanöver, damit sein Spießgeselle umso leichteres Spiel haben würde? Er würde es schon noch zu spüren kriegen. Das Einzige, was ihm zu tun übrig blieb, war, seinen Stab in beide Hände zu nehmen und seine Haut so teuer wie möglich zu Markte zu tragen. Selbst auf die Gefahr hin, wie ein räudiger Hund zu verrecken.
    Dazu sollte es jedoch nicht kommen.
    Ein Hornsignal, höchstens eine Achtelmeile entfernt, machte dem Spuk ein Ende. Vermutlich irgendeine Jagdpartie, fuhr es ihm durch den Sinn. Kaum war es jedoch verklungen, waren die beiden Galgenvögel im angrenzenden Gehölz verschwunden.
    Auf die Idee, seinen vermeintlichen Wohltätern zu danken, kam er trotzdem nicht. Je unauffälliger, desto besser, lautete die Devise, weshalb er spürbar aufatmete, seinen Stab in die knochentrockene Erde stemmte und den Weg einschlug, der zum Fluss hinunterführte.
    Noch mal Glück gehabt, dachte er, ein Trinklied auf den Lippen, das er seit frühester Jugend kannte.

     
    H

     
    Die Aussicht, auf freiem Feld nächtigen zu müssen, hatte nicht gerade einladend auf ihn gewirkt, weshalb er heilfroh war, als er den ummauerten Marktflecken am Mainufer erblickte. Mittlerweile war es schon recht spät, die Sonne

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