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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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blähten sich im Wind, und als die ›Charon‹ auf die Mitte des Flusses zusteuerte, machte sie rasch Fahrt. Ein Schwarm Möwen umkreiste das Schiff und kreischte wie verrückt. Die frische Brise tat ihm gut, und ehe es sich Bruder Hilpert versah, war seine trübsinnige Stimmung verflogen.
    Auf die Gefahr, von der er umgeben war, traf dies allerdings weniger zu. Mehr denn je galt es, wachsam zu sein, vor allem, was diesen Riesenkoloss betraf.
    Ein weiser Entschluss, wie sich noch zeigen sollte.
    Um Richwyn Gesellschaft zu leisten, schlenderte Bruder Hilpert zum Bug. Das Kinn auf die Knie gestützt, kauerte der Spielmann hinter der Reling und starrte gedankenverloren ins Leere. Obwohl sich Bruder Hilpert diskret räusperte, rührte sich der Paradiesvogel nicht vom Fleck, und die Sorge, die aus seinem Blick sprach, war nicht zu übersehen. Als er ihn schließlich bemerkte, blickte Richwyn kurz auf, richtete den Blick jedoch umgehend wieder nach vorn. Bruder Hilpert stutzte. Mit dem Possenreißer, wie er ihn kannte, hatte diese vergrämte Miene nichts zu tun. Und so verharrte er eine Weile schweigend, um sich dann, als Richwyn ihn einfach links liegen ließ, wieder auf seinen Platz zu begeben.
    Doch dazu kam es nicht mehr. »Das reinste Narrenschiff«, flüsterte der Spielmann resigniert, woraufhin Bruder Hilpert innehielt und sich erneut umdrehte. Die Frage, die ihm auf der Zunge lag, wagte er indes nicht zu stellen. Dies umso mehr, als er der gleichen Meinung war. »In der Tat!«, bekräftigte er nach längerem Zögern, bemüht, nicht mehr Schwermut als nötig in seine Stimme zu legen.
    Der Spielmann, nur noch ein Schatten der einstigen Frohnatur, lachte bitter auf. »Sei ’ s drum –«, murmelte er, als Bruder Hilpert mit keiner weiteren Äußerung mehr rechnete, »langweilig wird es uns beiden in den nächsten zwei Tagen mit Sicherheit nicht werden.«
    »Und warum?« Bruder Hilpert hatte die Frage eher aus Verlegenheit gestellt und weniger, um seinen Gesprächspartner herauszufordern.
    Wie von einer Tarantel gestochen fuhr der Spielmann herum. »Warum?«, bellte er ihn wutentbrannt an, wobei die Zornesader auf seiner Stirn wie eine Feuersäule aufloderte. »Warum, fragt Ihr? Ist das, was Rosalinde widerfahren ist, nicht schon schlimm genug?«
    Bruder Hilpert ging nicht auf die Frage ein. »Auf die Gefahr, impertinent zu erscheinen: Was, bitte schön, ist ihr eigentlich zugestoßen? Vorausgesetzt, dass dies nicht unter das Beichtgeheimnis fällt, halte ich es für angezeigt, dass Ihr mir reinen Wein einschenkt.«
    Für die Dauer eines Atemzuges weiteten sich seine Augen, und Richwyn schien so verblüfft, dass er den Mund nicht mehr zubekam. Doch der Augenblick war ebenso schnell vorüber, wie er gekommen war. »Glaubt Ihr eigentlich an Zufälle, Bruder?«, fragte er unverblümt.
    »So es sie denn überhaupt gibt – warum nicht? Wobei ich, um ehrlich zu sein, mit Eurer Frage nichts anzufangen weiß.«
    »Nur Geduld. In nicht allzu ferner Zeit wird sich das ändern.«
    »Wer in Rätseln beichtet, wird in Rätseln losgesprochen. Das müsstet Ihr eigentlich wissen.«
    Zum ersten Mal seit Langem schlich sich ein Lächeln in Richwyns Gesicht. »So, müsste ich das?«, konterte er amüsiert.
    Des Versteckspiels überdrüssig, beschloss Bruder Hilpert, aufs Ganze zu gehen. »Ach, übrigens –«, warf er beiläufig ein, »habt Ihr eine Ahnung, wo der Dolch geblieben ist, mit dem Rosalinde diesem Emicho an die Kehle wollte?«
    »Keine Ahnung!«, erwiderte Richwyn gereizt. »Woher soll ausgerechnet ich das wissen? Und außerdem: Ich wüsste nicht, weshalb Euch das interessiert.«
    Bruder Hilperts Züge hellten sich auf. »Momentan noch nicht. Doch wer weiß – was nicht ist, kann ja noch werden.«
    »Dann viel Glück.«
    »Wobei denn?«
    »Bei Eurer Suche, Bruder.«
    Dies war genau der Tonfall, um Bruder Hilpert in Harnisch zu bringen. Denn wenn er etwas hasste, dann die Art, wie ihn der Spielmann abzuwimmeln versuchte. »Eine Frage –«, warf er schneidend ein, »mit der Bitte um eine ehrliche Antwort: Wo habt Ihr heute Nacht gesteckt?«
    »Auf dem Vorderdeck. Sagte ich doch bereits.«
    »Kompliment.«
    »Wofür denn?«, passte Richwyn seinen Tonfall demjenigen von Bruder Hilpert an.
    »Für einen Schlaf, der scheinbar durch nichts in der Welt gestört werden kann.«
    Gänzlich unbeeindruckt griff Richwyn nach seiner Feldflasche, entfernte den Verschluss und reckte sie Bruder Hilpert entgegen. »Kleiner Schluck

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