Pilger des Zorns
Jesus zu ihm: Steck dein Schwert in die Scheide; denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.«
»Matthäus Kapitel 26, Vers 52.«
»Und warum? Warum hast du dir in den Kopf gesetzt, dem Wort Gottes zu trotzen?«
»Der Herr möge mir vergeben, Meister –«, flüsterte Hlavá č ek mit finsterem Gesicht, »aber ich bin zu allem entschlossen. Es geht nicht mehr um das Warum, sondern nur noch um das Wie.«
»Sieh dich vor, Jan. Mit einem Mann wie Hilpert von Maulbronn ist nicht zu spaßen. Er wird sich von dir nicht hinters Licht führen lassen.«
»Der Plan ist idiotensicher«, wich Hlavá č ek nicht von seinem Vorhaben ab, griff nach seiner Augenklappe und setzte sie wieder auf. »Ad eins: Die alte Vettel und ihr verwirrtes Anhängsel haben sich in ihrer Kajüte verkrochen. Von denen droht bestimmt keine Gefahr.« Der Kapitän lachte leise in sich hinein. »Ad zwei: Hilpert von Maulbronn habe ich kaltgestellt. Mit allem Drum und Dran. Denkt Euch nur, Meister: Da biete ich ihm und diesem Pilger aus Aschaffenburg meine Kajüte an. Nicht ohne Hintergedanken, versteht sich. Und wisst Ihr was? Er hat es sofort akzeptiert! Besser in einer Kajüte als unter freiem Himmel, hat er gesagt. Wo er sich doch um seinen Patienten kümmern müsse. Argloser geht es wirklich nicht. Sollte dieser Kuttenträger also etwas ausbrüten, wird es mir nicht entgehen. Und wenn alle Stricke reißen, kann ich ihm ja ein noch kleines Mittelchen einflößen. So wie gestern, beim Nachtmahl. Der Sicherheit halber mit einer höheren Dosierung.«
»Du wirst ihn doch nicht etwa …«
»Schachmatt setzen, nicht umbringen, lautet die Devise.«
»Und Pavel?«
»Ad drei: Pavel wird nicht das Geringste davon mitbekommen. Mein Wort darauf.«
»Und die anderen Passagiere?«
»Wie gesagt: Alles ist durchdacht. Bis ins kleinste Detail. Vor allem, was die Einteilung der Wache angeht.« Hlavá č ek grinste breit. »Ad vier: Erst kommt der Kesselflicker dran. Dann der Hufschmied. Und dann, wenn die werten Mitreisenden eingenickt oder besoffen oder sonst was sind, der Sackpfeifer. Wie ich den kenne, kann er es sich nicht verkneifen, hin und wieder an seiner Feldflasche zu nippen. Welch ein Narr. Denkt, ich hätte nichts davon mitbekommen, dass er sich jeden Abend mit Mohnsaft betäubt.«
»Und was dann?«
»Ja, und dann, wenn es auf Mitternacht zugeht, wird es langsam spannend.« Hlavá č ek ballte die Rechte zur Faust und ließ sie gegen die Handfläche prallen. Und das gleich mehrmals hintereinander. Die Vorfreude auf den großen Moment konnte man ihm am Gesicht ablesen. »Dann nämlich, wenn unser Freund Malachias an der Reihe ist!«, fügte der Kapitän mit grimmiger Entschlossenheit hinzu.
Husine č hörte es mit Bestürzung. »Hüte dich vor dem Zorn Gottes, Jan!«, flüsterte er ihm eindringlich zu. »Wenn du Seine Gebote übertrittst, wird Sein Zorn unermesslich sein. Noch ehe sich der Tag seinem Ende zuneigt, wirst du für deine Tat büßen.«
»Bei allem schuldigen Respekt, Meister: Was ich vorhabe, wird Gott dem Herrn wohlgefällig sein.« Hlavá č ek erhob sich, stellte den Krug auf den Tisch und leuchtete mit seiner Laterne in das Versteck seines einstigen Lehrmeisters hinein. Dieser hielt sich die Hand vors Gesicht, in die Enge getrieben wie ein Tier. »Worauf Ihr Euch verlassen könnt.«
Marek Husine č senkte den Blick. »Gott der Herr erbarme sich deiner«, flüsterte er.
»Amen!«, versetzte Hlavá č ek, schloss die Luke und blies die Laterne aus.
Dann zog er seinen Dolch aus der Scheide und ließ das stumpfe Ende der Klinge über den linken Zeigefinger gleiten. »Mein ist die Rache, spricht der Herr!«, flüsterte er, bevor er zur Tür schlich, sich kurz umsah und in der Dunkelheit verschwand.
H
»Nicht so laut!«, herrschte Bruder Hilpert seinen Freund Berengar an. »Muss nicht jeder hören, was du mir zu beichten hast.«
Der Vogt schnitt eine Grimasse und sah sich unauffällig um. Außer dem Jüngling am Ruder und dem Kapitän, der nach einem Ankerplatz Ausschau hielt, befand sich kein Mensch an Deck. Der Hufschmied hielt sich im Lagerraum, der angebliche Sackpfeifer bei den Frauen und der Badstuber, der definitiv keiner war, immer noch in der Schlaflaube auf. Der Groll, mit dem er auf die Zurechtweisung des Kapitäns reagiert hatte, war unübersehbar gewesen. Der Grund, weshalb er sich seit geraumer Zeit nicht mehr hatte blicken lassen.
Berengar legte die Stirn in Falten und
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