Pilger des Zorns
wandte sich erneut seinem Gesprächspartner zu. Ein Schurke, dem man das Handwerk legen muss, dachte er zerknirscht.
Die Frage war nur, wie.
»Die Luft ist rein, Ehrwürden – nur die Ruhe!«, zahlte der sichtlich mitgenommene Vogt seinem Freund und Gefährten mit gleicher Münze heim. »Kein Grund zur Beunruhigung.«
»Schön wär ’ s!«, konnte sich Bruder Hilpert, der ihm seine Gelassenheit nicht abkaufte, einen Anflug von Ironie nicht verkneifen. Doch dann wurde er wieder ernst. »Und jetzt raus mit der Sprache: Was ist so wichtig, dass du es unbedingt loswerden musst?«
»Von mir aus – dann eben nicht.«
Bruder Hilpert lächelte gequält. »Jetzt sei doch nicht immer gleich eingeschnappt!«, fuhr er Berengar an.
»Und das von dir«, lautete die Antwort, die Bruder Hilpert geflissentlich überhörte. Berengar schielte über die Schulter, unsicher, ob nicht doch jemand in der Nähe war. Dann raunte er Bruder Hilpert mit Verschwörermiene zu: »Er ist beschnitten.«
»Wer?«
Kurz davor, die Geduld zu verlieren, holte Berengar tief Luft, zählte insgeheim bis fünf und fügte kurz angebunden hinzu: »Der Hebräer, durchlauchtigste Eminenz.«
»Der …?«, wollte Bruder Hilpert wiederholen, brach jedoch unvermittelt ab.
»Du begreifst schnell!«, kam Berengars Retourkutsche mit der gewohnten Präzision. »Kurz gesagt: Er hat uns belogen. Nach Strich und Faden.«
»Und woher weißt du das?«
»Dass er beschnitten ist?« Außerstande, mit seiner Genugtuung hinterm Berg zu halten, ließ Berengar seinen Freund absichtlich zappeln. Dann sagte er süffisant: »Während du damit beschäftigt warst, dich von deinen Strapazen zu erholen, habe ich den barmherzigen Samariter gespielt. Das heißt, unseren hebräischen Freund mit dem Notwendigsten versorgt. Unter anderem mit trockener Kleidung. Und dabei, will sagen beim Entkleiden, ist mir sein süßes Geheimnis aufgefallen. War nicht zu übersehen.« Berengar grinste über beide Backen. »Muss ich noch deutlicher werden, Hochwürden, oder ist der Casus Belli eindeutig genug?«
»Dein Humor in allen Ehren – aber was mich betrifft, ist mir das Lachen einstweilen vergangen.«
Darauf bedacht, nicht übers Ziel hinauszuschießen, gab Berengar seine Neckereien sofort auf. »Mir auch«, räumte er freimütig ein. »Vor allem, weil ich nicht weiß, wie wir uns gegenüber diesem Hurensohn von Malachias …«
»Berengar, bitte.«
»… verhalten sollen. Oder ob es nicht besser ist, den Dingen ihren Lauf zu lassen.«
»Wie gesagt: Nullo accusator, nullus iudex!«
»Wo kein Kläger, da kein Richter – genau.«
»Donnerwetter!«, raunte Bruder Hilpert Berengar zu. »Wenn du so weitermachst, dann …«
»… wird am Ende noch ein gebildeter Mensch aus mir«, vollendete Berengar verschmitzt. »Aber im Ernst: Was tun?«
»Gute Frage.« Bruder Hilpert machte ein nachdenkliches Gesicht. »Kein Kläger, kein Richter. Und vor allem: kein Mensch, dem daran gelegen zu sein scheint, dass diesem Malachias das Handwerk gelegt wird.«
»Vor allem nicht seinem Prior.«
»Wobei ich mich allerdings frage, warum.«
»Na, warum wohl! Wer macht sich denn schon gerne zum Affen? Wenn du mich fragst, hat der gute Vater Laurentius die Tunika gestrichen voll. Hättest mal sehen sollen, wie der mit mir umgesprungen ist. Um sicherzugehen, dass ich den Mund halte, hätte er mir am liebsten die Zunge rausreißen lassen. So nachhaltig zum Schweigen verdonnert worden bin ich jedenfalls noch nie.«
»Wie gesagt: Ich denke, er wird seine Gründe haben.«
»Über die wir womöglich nie etwas erfahren werden«, fügte Berengar mit Nachdruck hinzu. »Verglichen mit diesem Schleimscheißer …«
»Ich muss doch sehr bitten, mein Freund.«
»… habe ich mein Plauderstündchen mit dem Pfandleiher regelrecht genossen.« Berengar lachte leise in sich hinein. »Schade, dass du das nicht mitgekriegt hast. Um sich mein Schweigen zu erkaufen, hätte die alte Vogelscheuche glatt ihr letztes Hemd hergegeben. Und noch einiges mehr. Hauptsache, er käme ungeschoren davon.«
»Womit wir wieder beim Thema wären.« Bruder Hilpert fuhr mit der Hand an der Schläfe entlang und dachte nach. Im gleichen Moment, noch ehe er Berengar einen Wink geben konnte, tauchte der Kopf des Hufschmieds in der Ladeluke auf. »Was also tun?«, fuhr Bruder Hilpert gedämpft fort. »Mag sein, es ist so, wie du sagst. Will heißen: Wir täten besser daran, den Dingen einstweilen ihren Lauf zu lassen.«
»Wie schön,
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