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Pilgern auf Französisch

Pilgern auf Französisch

Titel: Pilgern auf Französisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coline Serreau
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am Abend.
    Beim Abendessen trifft man auf dem Jakobsweg immer Weggefährten, die zurückgefallen sind oder andere überholt haben. Dann sendet »Radio Jakobsweg« in vollem Umfang. Die Mundpropaganda hinsichtlich der nächsten Herbergen, der Dauer und Schwierigkeit der kommenden Etappen und der Leute, die man getroffen hat, läuft auf Hochtouren. Wer das Bedürfnis hat, erzählt von sich, andere hören zu. Alle, die sich für nichts — jedenfalls für kein käufliches Gut dieser Welt, es sei denn, um ihr Leben aufzudröseln und es mit Kopf und Beinen neu zu überdenken — auf diese irrwitzige Wanderung über fast eintausendsechshundert Kilometer gemacht haben, fühlen sich solidarisch.
    Pierre, der das Glück immer noch nicht genießen kann, selbst wenn es ihm auf den Kopf fällt, kriegt von der fröhlichen Atmosphäre beim Essen nichts mit. Mit unbeschreiblicher Panik sucht er in seinem Rucksack herum und redet mit sich selbst:
    »Wo sind denn diese blöden Medikamente...? Das kann doch nicht wahr sein... Sie waren doch vorher noch da... Guy!«
    »Ja?«
    »Meine Medikamente sind weg.«
    »Ach?«
    »Das ist eine Katastrophe.«
    Schweigen am Tisch.
    »Wo können sie denn sein?«, fragt Guy.
    »Ich habe sie vergessen.«
    »Wie das?«
    »Unterwegs.«
    »Ja, aber wie kommt es, dass Sie sie vergessen haben?«
    »Ich habe einen Großteil meiner Sachen weggeworfen, offenbar habe ich sie dabei aus Versehen mit weggeworfen.«
    Claude biegt sich vor Lachen. »Was? Du hast deine Sachen weggeworfen? Waren wohl zu schwer!«
    »Schnauze!«
    Mathilde: »Und ist das schlimm?«
    Pierre: »Wenn ich auch nur einmal am Tag vergesse, meine Tabletten zu nehmen, bin ich am Ende. Ohne Medikamente muss ich sterben.«
    Guy: »Haben Sie Ihre Sachen vor oder nach dem Mittagessen weggeworfen?«
    »Davor.«
    »Dann haben Sie heute Mittag auch keine Medikamente genommen?«
    »Nein, heute Mittag habe ich nichts eingenommen, ich habe es vergessen.«
    »Und was wollen Sie jetzt tun?«
    »Ich muss zurück und sie holen...«
    »Das geht nicht.«
    »Warum?«
    »Weil es in einer Stunde dunkel wird. Unser Rastplatz liegt vier Stunden von hier entfernt. Bis Sie dort sind, Ihre Sachen suchen und zurückkommen, ist es Morgen.«
    Pierre ist am Boden zerstört: »Aha. Ich sehe, dass meine Probleme hier niemanden interessieren. Ich gehe schlafen.«
    In drückendem Schweigen packt er seinen Rucksack und steigt hinauf in den Schlafsaal.
    Clara: »Er sieht aber ganz fit aus für einen Mann, der vergessen hat, seine Pillen einzunehmen.«
    Camille: »Was nimmt er denn für Tabletten?«
    Clara: »Irgendwas, das ihm das Leben erleichtert.«

    Die Schlafsäle sind auf zwei Stockwerke verteilt. Oben unter dem Spitzdach steht ein Dutzend Holzbetten. Durch zwei Oberlichter scheint hell der Mond, die Schlafenden sind in ihre Träume versunken.

    Guy träumt, er läuft mit einer Lampe in der Hand durch eine menschenleere Landschaft. Sein Pilgertrupp folgt ihm. Sie kommen zu einem Haus, zu einer Bruchbude, Guy öffnet vorsichtig die Tür. Dahinter steht mitten auf einer Wiese, mitten im Wind, ein Bett, bezogen mit weißen Laken, auf denen nackt ein Mann und eine Frau liegen. Sie sehen sich an und reden liebevoll miteinander.

    Clara träumt, sie trägt ein Joch wie ein Ochse und ist vor einen Karren gespannt, den sie über schwere, feuchte Erde zieht. Auf dem Karren spielen lachend Kinder. Der Himmel ist niedrig und schwarz.

    Claude träumt, er sitzt auf einer Wiese an einem Tisch. Neben ihm steht ein älterer Herr, der aussieht wie sein Vater und ihn traurig ansieht. Auf dem Tisch stapeln sich Medikamentenpackungen, Pillen und Spritzen. Gewissenhaft schluckt Claude eine Handvoll Tabletten nach der anderen. Er lächelt dem alten Mann zu, der sein Lächeln aber nicht erwidert.

    Pierre fährt aus dem Schlaf auf. Er hat Herzrasen. Er tastet im Rucksack nach seinem Handy, schleicht sich an den Betten vorbei hinaus und steigt geräuschlos die Treppe hinunter.
    Er verlässt die Herberge und macht sich auf den Weg zum Netzbaum.
    Kaum hat er den Vorhof verlassen, ist er von einer Rinderherde umzingelt, etwa sechzig Tiere haben sich vor der Herberge versammelt. Nachts halten sie sich gern in der Nähe von Behausungen auf.
    Erst hat Pierre Angst, dann aber spricht er leise zu den Tieren, sie machen Platz und lassen ihn zum Baum durch.
    Zweimal hintereinander tritt er in frische, warme Kuhfladen. Fluchend rennt er zum Baum, gibt eine Nummer ein und schüttelt die Füße ab.
    Im

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